Das höchste Gut ist die Vernunft

„Keine Freude ohne Vernunft, keine Vernunft ohne Freude“ lautete einer der Hauptlehrsätze des Philosophen Epikur. Dieser lebte von 341 bis 271/79 v. Chr. Mit 35 Jahren gründete er seine Schule in Athen. Sie hieß Kepos, was auf Griechisch Garten heißt. Wasser und Brot im Überfluss soll eine Torinschrift seinen Schülern verheißen haben. Von Epikurs mehr als 300 Büchern sind nur drei Briefe erhalten. Dass man heute überhaupt Kunde von ihm hat, ist zwei Römern aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert zu danken: Cicero und Lukrez. Überliefert ist dabei auch folgender Lehrsatz: „Von allen Gütern, die die Weisheit sich zur Glückseligkeit des ganzen Lebens zu verschaffen weiß, ist bei weitem das größte die Fähigkeit, sich Freunde zu erwerben.“

Ohne Naturkenntnis gibt es keine ungemischte Freude

Alle die Menschen, die sich das Vertrauen vor allem der Nachbarn zu verschaffen wissen, leben miteinander das freudevollste Leben in der festesten Zuversicht. Sie genießen das Glück engster Verbundenheit. Und sie jammern nicht über den vorzeitigen Heimgang eines Gestorbenen, als ob man ihn bemitleiden müsse. Der Mensch, der sich gegen das ihn von außen her Bedrohende am besten zu wappnen weiß, macht sich die Umwelt vertraut, so weit er kann. Wo ihm das nicht gelingt, sorgt er, dass sie ihm wenigstens nicht fremd ist.

Mit allen Dingen aber, in denen ihm auch dies versagt ist, gibt es sich gar nicht ab. Er geht nur von allem dem aus, was für sein Tun nützlich ist. Es wäre für einen Menschen nicht möglich, sich von den angstvollen Gedanken an die höchst entscheidenden Dinge zu befreien, wenn er von der Natur des Alls keine Kenntnis hätte. Sonst müsste er argwöhnen, es könnte doch etwas an den Mythen sein. Daher kann man ohne Naturkenntnis keine ungemischte Freude genießen.

Gerechtigkeit hat es nie gegeben

Wer die Grenzen des Lebens kennt, weiß, dass leicht zu beschaffen ist, was den Schmerz des Entbehrens beseitigt und was das ganze Leben vollkommen macht. Daher hegt er laut Epikur durchaus kein Verlangen nach Dingen, die mit Kämpfen verbunden sind. Gerechtigkeit an sich hat es für den griechischen Meisterdenker auf irgendwelche Weise nie gegeben. Sondern sie ist eine Art Abmachung darüber, einander nicht zu schädigen und voneinander keinen Schaden zu erleiden.

In einem Gemeinwesen gilt für Epikur allen ein und dasselbe für gerecht. Denn es bringt in der Gemeinschaft der Menschen untereinander Nutzen. Der gerechte Mensch erfreut sich des größten Seelenfrieden, während der ungerechte übervoll ist von Unfrieden. Freude schafft nüchternes Überlegen, das die Ursachen allen Verlangens und Meidens aufspürt und den leeren Glauben austreibt, aus dem die größte Verwirrung der Seelen entspringt. Anfang und höchstes Gut bei alledem ist die Vernunft. Quelle: „Handbuch der Menschenkenntnis“ von Georg Brunold (Hg.)

Von Hans Klumbies