Michelangelo, das Universalgenie, gehörte zu den bedeutendsten Künstlern der italienischen Renaissance. Sein erstes Meisterwerk „Die Pietà“ wurde im Jahr 1500 im Petersdom aufgestellt und von den Menschen Roms als ein großartiges Schöpfungswunder bejubelt. Michelangelo war Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter. Michelangelo schreibt über sein Verhältnis zu anderen Menschen: „Ich bin ein Mann, der so stark dazu neigt, die Menschen zu lieben, wie wohl kein anderer, der je geboren wurde. Doch er kann das seiner Umwelt nicht vermitteln. Seine Mitmenschen betrachten ihn eher als mürrischen Einzelgänger.
Michelangelo revolutioniert die Reliefkunst
Schon als Jugendlicher erkennt Michelangelo seine Berufung als Künstler, der mit Meißel und Pinsel nach Ruhm streben will. Einen entscheidenden Schub erhält seine Künstlerkarriere als er in die Kunstakademie des Stadtfürsten Lorenzo de´ Medici in Florenz aufgenommen wird. Der Fürst ist ein großer Kunstkenner und von den Übungsarbeiten Michelangelos so begeistert, dass er ihn als eine Art Ziehsohn in den Palast aufnimmt. In seinen Erinnerungen betrachtet das Kunstgenie diese zwei Jahre als die schönste Zeit in seinem Leben.
Michelangelo bedankt sich bei seinem Gönner, indem er ihm mehrere seiner großartigen Skulpturen schenkt. In der „Kentaurenschlacht“ von 1492 revolutioniert das junge Genie die Reliefkunst. Er verabschiedet sich von der bis dahin gewohnten Staffelung der Raumebenen. Ohne Übergänge scheinen seine im Kampf verstrickten Kämpfer ganz organisch aus der Marmoroberfläche herauswachsen. Nach dem Tod seines Gönners Lorenzo de´ Medici wechselt er ruhelos zwischen Venedig, Bologna und Florenz hin und her.
Eine Pietà und der David machen Michelangelo weltberühmt
Ende 1497 hat seine Leidenszeit ein Ende. Er soll für eine Grabkapelle im Vatikan eine Pietà schaffen, eine trauernde Maria, die den Leichnam Jesu Christus auf ihrem Schoß hält. Für sein erstes Meisterwerk erhält er 100 Kameraldukaten, das doppelte Jahresgehalt eines Rechtsgelehrten. Er benötigt nur knapp ein Jahr, um die Pietà zu vollenden. Er gestaltet Maria nicht wie üblich als Schmerzensmutter, sondern verleiht ihrem Gesicht die Züge eines Mädchens, in das sich noch nicht die Furchen des Leids und der Grams hineingefressen haben.
Die mädchenhafte Maria macht Michelangelo berühmt und befreit ihn endgültig von seinen Geldsorgen. Sammler, Regenten und Mäzene überschütten den genialen Künstler mit Aufträgen. Sein nächster Großauftrag ist ein monumentales Wahrzeichen für die Stadt Florenz. Drei Jahre lang meißelt und feilt Michelangelo an einem über vier Meter großen „David“. Diese Figur wird nicht nur weltweit zum bekanntesten Werk eines Bildhauers, sondern auch zum Prototyp eines neuen männlichen Schönheitsideals.
Sein Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle macht Michelangelo unsterblich
Eine weitere große Herausforderung wartet in Rom auf das Kunstgenie. Er soll die Decke der Sixtinischen Kapelle ausmalen, einen Malgrund von unglaublichen 1.100 Quadratmetern. Vier Jahre malt Michelangelo an dem Deckenfresko. Am 31. Oktober 1512 wird das Monumentalwerk feierlich enthüllt. Als die Würdenträger Roms zur Decke hinaufschauen, sind sie überwältigt von einem Weltwunder an Formen und Farben. Auf 33 Bildfeldern hat Michelangelo über 300 Figuren verewigt. Ganz Rom feiert Michelangelo, der von nun an „Der Göttliche“ genannt wird.
1535 erhält er vom Papst einen erneuten Auftrag in der Sixtinischen Kapelle. Er soll auf der Altarwand das Jüngste Gericht darstellen. Sechs Jahre benötigt Michelangelo für diese geniale Schöpfung. Allerdings wird diese Arbeit nicht nur mit Begeisterung aufgenommen, da die meisten der 300 Figuren auf dem Wandbild nackt sind. Papst Paul IV. lässt die beanstandeten Blößen übermalen. Dem Ansehen des Künstlers tut dies keinen Abbruch. Das italienische Volk verehrt Michelangelo wie einen Heiligen.
Michelangelo: „Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume“
1546 ernennt der Papst Michelangelo zum Obersten Baumeister der Peterskirche. Er gestaltet die Kuppel, die zum Wahrzeichen der Ewigen Stadt werden soll, ohne Pomp und üppigen Zierrat, als kraftvolle auf das Wesentliche reduzierte Bauskulptur. Sein eigenes Grabmal hat Michelangelo auch schon vollendet, eine Pietà im Stil der Hochrenaissance. Daneben arbeitet er an einer weiteren Pietà, seinem letzten Werk, das zum größten Mysterium im Leben des Göttlichen werden soll.
In seiner Pietà Rondanini, an der er zwölf Jahre arbeitet, sind Jesus und Maria ohne Gesicht zu einem gequälten, gepeinigten und gefolterten Schmerzensleib vereinigt. Hier gibt es kein klassisches Spiel der Muskeln mehr, sondern nur noch aus Stein entstandenes Gefühl. Vielleicht hat Michelangelo auch seinen nahenden Tod gespürt. Am 14. Februar 1564 erwacht er mit leichtem Fieber. Vier Tage später stirbt er im Alter von 89 Jahren. Ein Vers des Universalgenies lautet: „Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume. Ich leb´ in euch und geh durch eure Träume.“
Von Hans Klumbies