Der Mensch ist ein Teil der Natur

Carlo Rovelli schreibt: „Was wir im Einzelnen sein mögen, als Menschen sind wir jedenfalls Teile der Natur, ein Steinchen im großen Mosaik des Kosmos, ein kleines unter vielen anderen.“ Zwischen den Menschen und der übrigen Welt gibt es physikalische Wechselwirkungen. Natürlich interagieren nicht alle Variablen der Welt mit den Menschen oder dem Stückchen von ihr, dem sie angehören. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil dieser Variablen tut dies. Tatsächlich wechselwirkt der Großteil nicht mit den Menschen. Deswegen sind verschiedenen Konfigurationen der Welt für sie gleichbedeutend. Die physikalische Wechselwirkung zwischen der eigenen Person und einem Glas Wasser hängt nicht von den detaillierten Bewegungen der einzelnen Wassermoleküle ab. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

Die Sicht des Menschen auf die Welt ist unscharf

Auf die gleiche Weise bleibt die physikalische Wechselwirkung zwischen der eigenen Person und einer fernen Galaxie unberührt von dem, was im Kleinen vor sich geht. Die Sicht der Menschen auf die Welt ist folglich unscharf. Diese Unschärfe steht im Zentrum von Ludwig Boltzmanns Theorie. Aus der Unschärfe ergeben sich die Konzepte Wärme und Entropie. Mit diesen sind ihrerseits die Phänomene verbunden, die den Fluss der Zeit auszeichnen. Insbesondere die Entropie eines Systems hängt explizit von der Unschärfe ab.

Carlo Rovelli erläutert: „Sie hängt ab, von dem, was ich nicht sehe, weil sie von der Anzahl der ununterscheidbaren Konfigurationen abhängt.“ Ein und dieselbe mikroskopische Konfiguration kann mit Blick auf eine Unschärfe von hoher und mit Blick auf eine andere von geringer Entropie sein. Die Unschärfe ist ihrerseits kein geistiges Konstrukt. Sie hängt von der realen physikalischen Wechselwirkung ab. Also hängt die Entropie von der physikalischen Wechselwirkung mit dem System ab.

Die Entropie ist eine relative Größe

Das heißt nicht, dass die Entropie eine willkürliche oder subjektive Größe ist. Wie die Geschwindigkeit ist sie vielmehr eine relative Größe. Die Geschwindigkeit ist keine Eigenschaft von einem Objekt allein, sondern dessen Eigenschaft in Bezug auf ein anderes Objekt. Dasselbe gilt für die Entropie. Die Entropie von A in Bezug auf B zählt die Anzahl der Konfigurationen von A. Diese unterscheiden nicht die physikalischen Wechselwirkungen zwischen A und B.

Die Entropie der Welt hängt nicht nur von der Konfiguration der Welt, sondern auch davon ab, wie unscharf die Menschen die Welt wahrnehmen. Die Ausgangsentropie der Welt erscheint ihren sehr gering. Aber dies betrifft nicht den exakten Zustand der Welt. Sondern es betrifft die Untermenge der Variablen der Welt, mit der die Menschen als physikalische Systeme interagiert haben. Vielleicht sind die Menschen und ihre Wechselwirkungen mit dem Universum ganz besonders. Quelle: „Die Ordnung der Zeit“ von Carlo Rovelli

Von Hans Klumbies