Die Politik neigt zu Protektionismus

Wenn man wissen will, wie es nach der Corona-Pandemie mit der Globalisierung weitergeht, sollte man zwei Dimensionen unterscheiden. Clemens Fuest erläutert: „Erstens Marktreaktionen, also Verhaltensänderungen der Unternehmen und der Verbraucher. Zweitens Reaktionen der Politik wie etwa eine verstärkte Neigung zu Protektionismus.“ Werden die Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten nach der Krise verändern? Man kann damit rechnen, dass international agierende Firmen in Zukunft darüber nachdenken, welche Produkte sie selbst herstellen und welche sie zukaufen. Beides ist mit Risiken verbunden. Es kann durchaus sein, dass eine Epidemie, eine Naturkatastrophe oder einen Unfall die eigene Produktion lahmgelegt, während Zulieferer davon nicht betroffen sind. Wenn man sich für Outsourcing entscheidet, können die Zulieferer aus dem Inland oder dem Ausland kommen. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

Internationale Produktionsketten müssen ausgedehnt werden

Auch dabei ist a priori unklar, welche Lösung störanfälliger ist. Das Ausmaß an Just-in-Time-Produktion sollte man ebenfalls auf den Prüfstand stellen. Unternehmen müssen entscheiden, wie sie die Kosten höherer Lagerhaltung im Vergleich zum Risiko eines Lieferungsausfalls bewerten. Dass Unternehmen die Risiken von Ereignissen kalkulieren müssen, die selten eintreten, dann aber großen Schaden anrichten, ist nicht erst seit der Coronakrise bekannt. Diese Neubewertung kann durchaus dazu führen, dass Unternehmen sich in Zukunft häufiger für Eigenproduktion oder Zulieferer aus Deutschland oder dem europäischen Ausland statt aus Südafrika oder China entscheiden.

Es ist aber nicht zu erwarten, dass Unternehmen internationale Wertschöpfungsketten in großem Stil auflösen. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sie schwerfällige Lagerhaltung aus den Zeiten vor der Just-in-Time-Produktion zurückkehrt. Clemens Fuest erklärt: „Die Kosten würden erheblich steigen. Dass die Produktion dadurch weniger störanfällig würde, ist keineswegs sicher.“ Um besser für Störungen gewappnet zu sein, kann es sogar notwendig sein, internationale Produktionsnetzwerke auszudehnen.

Produktionsprozesse sollten Resilienz aufweisen

Riskant sind weniger internationale Wertschöpfungsketten per se, sondern die Abhängigkeit von einzelnen Firmen oder Standorten. Absicherung gegen Störungen kann man erreichen. Und zwar indem man Zulieferer aus mehreren Ländern, deren Leistungen einander ersetzen können, in die Wertschöpfungsketten einbindet. Auch das steigert die Produktionskosten. Denn das Hinzufügen von Lieferanten und die Senkung der von jedem Zulieferer abgenommenen Menge beschränkt die Nutzung von Größenvorteilen in der Produktion.

Clemens Fuest weiß: „Dieser Kostenerhöhung steht ein Gewinn an Versorgungssicherheit durch Diversifizierung gegenüber.“ Unternehmen könnten also künftig die Resilienz ihrer Produktionsprozesse stärker in ihre Entscheidungen einbeziehen. Gemeint sind dabei die Anpassungsfähigkeit und Robustheit bei Störungen von außen. Das kann dann unter Umständen zu mehr Globalisierung führen, nicht zu weniger. Politische Entscheidungen beeinflussen allerdings auch die Veränderungen der Wertschöpfungsketten. Quelle: „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Clemens Fuest

Von Hans Klumbies