Clemens Fuest analysiert die Exit-Debatte

Die aktuellen Kontaktbeschränkungen in Deutschland verstärken psychische Krankheiten Wie Depressionen. Häusliche Gewalt und andere soziale Probleme nehmen zu. Menschen, die sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen, werden oft krank. Clemens Fuest erläutert: „Die Kosten des Shutdowns gehen außerdem weit über den Ausfall von Produktion und Wertschöpfung im engeren Sinne hinaus.“ Durch die Schließung von Schulen und Kindergärten unterbleiben Investitionen in die Bildung. Die in Deutschland ohnehin ausgeprägte Ungleichheit der Bildungschancen verschärft sich. Zu Hause statt in der Schule zu lernen, fällt Kindern aus bildungsfernen Milieus deutlich schwerer als anderen. Darüber hinaus kann ein leistungsfähiges Gesundheitssystem mittelfristig nur auf der Basis einer funktionierenden Wirtschaft bestehen. Aus all diesen Gründen besteht die Aufgabe des Krisenmanagements in der Pandemie nicht darin, entweder der Gesundheit oder der Wirtschaft Priorität einzuräumen. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

Es gibt eine Strategie zur Aufhebung des Shutdowns

Es geht darum, den gesamten gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen gerecht zu werden, die durch die Pandemie entstehen. Die Deutschen müssen lernen, mit dem Virus zu leben, zu arbeiten und das gesellschaftliche und kulturelle Leben weiterzuführen. Und das, ohne dabei unvertretbare gesundheitliche Risiken einzugehen. Was bedeutet das konkret für die Strategie zur Aufhebung des Shutdowns? Im April 2020 veröffentlichte eine Wissenschaftlergruppe eine Studie zur Gestaltung und Umsetzung des Exit-Prozesses.

Die Studie spricht von einer flexiblen, risikoadaptierten Öffnungsstrategie. Die Gruppe schlägt vor, folgende Ziele in den Mittelpunkt zu stellen: Die erneute rasche Ausbreitung des Erregers weitgehend zu unterbinden, sodass gleichzeitig die natürliche Immunität in der Bevölkerung langsam ansteigt. Das Gesundheitssystem zu stärken, um die bestmögliche Therapie für möglichst viele Erkrankte gewährleisten zu können. Gruppen mit hohem Risiko für schwere COVID-19-Erkrankungen zu schützen.

Das Virus wird nicht einfach verschwinden

Soziale und psychische Härten bei der Pandemiebekämpfung sind so weit wie möglich zu vermeiden. Wirtschaftliche Aktivitäten möglich zu machen, ohne unnötige gesundheitliche Risiken einzugehen. Grundrechtseingriffe sind dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäß auf das erforderliche und angemessene Maß zu beschränken. Clemens Fuest fasst zusammen: „Entscheidend ist hier, dass die Öffnungsstrategie medizinische, wirtschaftliche und soziale Risiken und Herausforderungen gemeinsam in den Blick nimmt.“

Bei dieser Beschreibung der Ziele wird offen gelassen, ob es gelingen kann, die große Mehrheit der Bevölkerung ganz vor der Ansteckung zu bewahren. Während die Autoren der Gruppe ihre Studie verfassen, sind sie noch skeptisch, dass ein Verschwinden des Virus möglich ist. Wie kann man den Exit-Prozess dennoch umsetzen? Der erste Schritt besteht darin, die Zeit des Shutdowns dafür zu nutzen, die Öffnung vorzubereiten. Zudem muss man das Gesundheitswesen darauf einstellen, eine wachsende Zahl von Infizierten zu versorgen. Quelle: „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Clemens Fuest

Von Hans Klumbies