Das „Gefühl des Absurden“ ist total berechtigt

Die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir (1908 – 1986) beschrieb, wie insbesondere Frauen sich selbst fremd werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man sie gesellschaftlich aus der Norm ausschließt und sie stattdessen als das „andere“ Geschlecht aufwachsen. Für sie seien Sinnkrisen geradezu vorprogrammiert. Immerhin sah Simone de Beauvoir auf dieser Ebene einen möglichen Ausweg. Christian Uhle ergänzt: „Demgegenüber betonte Albert Camus, dass auf einer noch tieferen Ebene, jenseits gesellschaftlicher Machtverhältnisse, sämtliche Menschen mit dem gleichen Schicksal konfrontiert sind.“ Er nannte die Empfindung sinnsuchender Menschen das „Gefühl des Absurden“. Und dieses Gefühl erklärte er für absolut berechtigt, ja, zutreffend. Denn es entspringe der Bereitschaft, das eigene Leben durch einen klaren, unverfälschten Blick zu sehen als das, was es ist: absurd. Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

Religionen sind mächtige Sinnquellen

Jean-Paul Sartre (1905 – 1980) äußerte sich ähnlich dazu: Er sprach von einem tiefen „Ekel“ gegenüber allem. Dabei handelt es sich um ein vages Grundgefühl, das ihm zufolge entsteht, wenn man sich der Fremdheit und Sinnlosigkeit dieser Welt bewusst wird. Solche dunklen Beschreibungen sind für Christian Uhle im Grunde nicht verwunderlich. Denn der Homo sapiens ist irgendein Tier auf irgendeinem Planeten, vergänglich und mangelhaft, weder in der Lage, weder einen Gott zu erkennen noch sich selbst.

Der erstarkende Glaube an Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnis nahm selbst wiederum religiösen Züge an. Seine Kraft lag allerdings nicht gerade darin, einen persönlichen Lebenssinn zu stiften. Christian Uhle weiß: „Religionen sind mächtige Sinnquellen. Nehmen wir das Christentum. Mit heute 2,3 Milliarden Anhängern ist es die verbreitetste Religion der Welt. Wie im Judentum gilt der Mensch hier als Ebenbild Gottes. Natürlich sind nicht alle Gläubigen im Judentum und Christentum davon überzeugt.“

Für den Kosmos sind die Ziele der Menschen ohne Bedeutung

Aber zumindest gemäß der Lehre kommt den Menschen eine Herrscherrolle über den Rest der Schöpfung zu. Dieses Menschenbild prägte die jüdisch-christlichen Kulturkreise, in denen sich auch Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Charles Darwin und Sigmund Freud bewegten. So ist es kein Wunder, dass ihre Erkenntnisse regelrechte Erdbeben auslösten, wie sie in den Philosophien von Friedrich Nietzsche, Albert Camus und Jean-Paul Sartre zu spüren sind – und bis heute nachwirken.

Christian Uhle erläutert: „In den abrahamitischen Religionen wacht ein Gott über jeden von uns. Menschen sind ihm nicht egal, sind sogar wichtig für das größte aller Wesen.“ Und das ist durchaus eine konkrete Beziehung. Denn Gott kann sich zeigen und auf Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste reagieren. Natürlich können sich Menschen selbst Ziele setzen und eigene Wertesysteme aufbauen. Doch aus einer kosmologischen Perspektive ist es völlig bedeutungslos, ob sie das tun oder nicht. Quelle: „Wozu das alles?“ von Christian Uhle

Von Hans Klumbies