Manche Menschen sprechen mit Pflanzen

Für Menschen, die mit Pflanzen sprechen, wie Prinz Charles es angeblich tut, muss man eine besondere Schwäche haben. Man muss anerkennen, dass Gespräche mit Pflanzen nicht nur die Anerkennung wertvoller Formen nichtmenschlichen Lebens bedeuten. Sondern man muss auch den Respekt für die Idee würdigen, dass gute Pflege, ob tatsächlich oder poetisch in Form freundlicher Worte, für das Leben nichtmenschlicher Lebewesen etwas bedeutet. Das ist ein wahrhaft liebenswürdiger Gedanke. Antonio Damasio hat keine Ahnung, ob Prinz Charles wirklich etwas über Botanik im Besonderen oder über Biologie im Allgemeinen weiß. Aber es gibt für ihn viele Gründe, Pflanzen zu respektieren und zu lieben. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

Der ersten Gefühle waren Wohlbefinden und Unwohlsein

Von Algorithmen sprechen Menschen häufig voller Ehrerbietung. Ihr Respekt gilt dabei zu Recht einer wissenschaftlichen oder technischen Entwicklung, die das menschliche Leben verändert hat. Antonio Damasio stellt fest: „Verehrung und Respekt sind durchaus angebracht, wichtig ist aber, dass man das Wesen von Algorithmen versteht und sich klarmacht, wo ihre Grenzen liegen, insbesondere wenn wir sie mit Bildern vergleichen.“ Antonio Damasio will Algorithmen nicht verächtlich machen. Wie könnte er das tun, nach all den Lobeshymnen, die er für die undurchschaubaren Intelligenzen und die Codes, die sie möglich machen, gesungen hat?

Antonio Damasio vermutet: „Das Fühlen begann in der Evolution wahrscheinlich innerhalb eines bestimmten Organismus als schüchterne Unterhaltung zwischen der Chemie des Lebens und der frühen Form eines Nervensystems.“ Bei Lebewesen, die weitaus einfacher waren als der Mensch, erzeugte der Austausch beispielsweise schlichtes Wohlbefinden oder ein grundlegendes Unwohlsein. Aber es entstanden dabei keine subtil abgestuften Gefühle, ganz zu schweigen von etwas so hoch Entwickeltem wie lokalisierten Schmerzen.

Affekte bezeichnet man als „urtümliche Gefühle“

Dennoch war es ein bemerkenswerter Fortschritt. Die zaghaften Anfänge boten jedem Lebewesen eine Orientierung, einen unterschwelligen Rat, was es als Nächstes tun oder nicht tun sollte. Oder wohin es am besten zu gehen hatte. Antonio Damasio betont: „Damit war in der Geschichte des Lebendigen etwas Neues, äußerst Wertvolles entstanden: ein mentales Gegenstück zu einem physischem Organismus.“ In seiner einfachsten Form beginnt ein Affekt im Inneren eines Lebewesens.

Der Affekt kommt plötzlich, unbestimmt und diffus und erzeugt Gefühle, die sich nicht ohne Weiteres beschreiben oder einordnen lassen. Man verwendet dafür den Begriff „urtümliche Gefühle“. „Reife Gefühle“ dagegen vermitteln lebhafte, anschauliche Bilder von den Gegenständen, die das Innere eines Menschen besetzen. Nämlich von Eingeweiden wie Herz, Lunge und Darm und von den Tätigkeiten, die sie ausführen, wie Pulsieren, Atmen und Kontraktion. Quelle: „Wie wir denken, wie wir fühlen“ von Antonio Damasio

Von Hans Klumbies