Andreas Barthelmess stellt die Unicorn-Ökonomie vor

Andreas Barthelmess weiß, wie die Unicorn-Ökonomie funktioniert. Starke Gründer bringen eine gute Idee zu ersten Markterfolgen. Namhafte Wagniskapitalgeber werden darauf aufmerksam und investieren, andere ziehen nach. Dabei kommt es zur Selbstverstärkung. Investoren validieren das Unternehmen positiv, Presse und Social Media berichten. Die besten Talente wollen beim Unternehmen arbeiten. Andreas Barthelmess fügt hinzu: „Der ökonomische Sog wirkt jetzt auch psychologisch, immer mehr Kunden folgen.“ Klingt wie ein Märchen, darum heißt es ja auch „Einhorn“, funktioniert aber in der Wirklichkeit. Der Wagniskapitalgeber Peter Thiel hat 2018 in der Weltwoche festgestellt: „Technologie ist schwer messbar. Viel eher geht es um Dinge, die in Bewegung sind, um Geschichten.“ Ganz ähnlich argumentiert der Ökonom und Nobelpreisträger Robert J. Shiller in seinem Buch „Narrative Economics“. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

„Software is eating the world“

Populäre Storys, zeigt Robert J. Shiller, haben Einfluss auf Volkswirtschaften, ihre Krisen- und Boom-Zeiten. Sie können sogar darüber entscheiden, ob sich Technologien durchsetzen oder nicht. Ein Narrativ kann sich derart selbst verstärken, dass es am Ende zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Venturecapital-Geber haben Macht. Sie prägen den Lauf der Welt. Sei bestimmen, welcher Technologie, welchem Team, welcher Firma und welchem Standort man eine Chance gibt.

Ihr Votum hat Signalwirkung. Risikokapitalgeber sind die Gatekeeper zur Zukunft. Als solche haben sie Geld und Rat geliefert, um Google, Facebook, Airbnb und Hunderte andere Milliardenfirmen zu dem zu machen, was sie heute sind. Die Pointe dieses Geschäfts lautet: Je mehr man in ein Start-up investiert, desto größer das Commitment und die Chance, dass man mit seiner Erfolgsprophezeiung richtiglag. „Software is eating the world“, hat Andreessen Horowitz gesagt, einer der mächtigsten Venturecapital-Geber der Welt.

Es entsteht ein neues Arbeitsprekariat

Im Sommer 2019 waren Microsoft und Amazon zusammen mehr wert als alle in Deutschland börsengehandelten Unternehmen. Andreas Barthelmess stellt fest: „Die Folgen für die nahe Zukunft zeichnen sich heute schon ab. In jedem Unternehmen werden die Begabtesten und Besten gehen, um den großen Investoren zu den mächtigsten Digitalunternehmen zu folgen.“ Das sind die Firmen mit den höchsten Gehältern und den besten Renditen. Allerdings brauchen sie nur sehr wenige Mitarbeiter.

Früher finanzierten die Industrie- und Mittelstandsunternehmen mit ihren vielen Angestellten den Sozialstaat. Die deutsche Politik scheint zu glauben, das würde immer so bleiben, jedenfalls hält sie am alten Denken fest. Tatsächlich sieht die Welt heute schon anders aus. Heute produzieren immer weniger Arbeitsplätze immer mehr digitale Dienstleistungen – und damit die höchsten Renditen. Zugleich zahlen die meisten dieser Unternehmen in Deutschland keine Steuern. Zugleich entsteht auf den Straßen ein neues Arbeitsprekariat. Quelle: „Die große Zerstörung“ von Andreas Barthelmess

Von Hans Klumbies