Das Sein ist nichts weiter als ein Antworten

Viktor Frankl vertritt folgende These: „Nicht wir dürfen nach dem Sinn des Lebens fragen – das Leben ist es, das Fragen stellt, Fragen an uns richtet. Wir sind die Befragten.“ Die Menschen sind die, die da zu antworten haben. Antwort zu geben auf die ständige, stündliche Frage des Lebens, auf die „Lebensfragen“. Leben heißt für Viktor Frankl nichts anderes als Befragt-sein. Das Sein ist nichts weiter als ein Antworten – ein Verantworten des Lebens. In dieser Denkposition kann einen Menschen aber jetzt auch nichts mehr schrecken, keine Zukunft, keine scheinbare Zukunftslosigkeit. Viktor E. Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und 25 Jahre lang Vorstand der Wiener Neurologischen Poliklinik. Er begründete die Logotherapie, die auch Existenzanalyse genannt wird.

Niemand kennt seine Zukunft

Denn nun ist die Gegenwart alles, denn sie bringt die ewig neue Frage des Lebens an einen Menschen. Nun kommt alles darauf an, was jeweils von ihm erwartet wird. Was jedoch in Zukunft von einem Menschen erwartet wird, braucht dieser ebenso wenig zu wissen wie er es wissen kann. Viktor Frankl erläutert: „Niemand aber von uns weiß, was auf ihn noch wartet, welche große Stunde, welche einmalige Gelegenheit zu einzigartigem Handeln auf ihn noch wartet.“

Aber nicht nur von Stunde zu Stunde wechselt die Frage, die das Leben an einen Menschen stellt und in deren Beantwortung er den Sinn des Augenblicks verwirklichen kann. Sie wechselt auch von Mensch zu Mensch. Die Frage ist in jedem Moment für jeden Einzelnen durchaus verschieden. So sieht man aber auch, wie einfältig die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt ist: sofern sie nicht in aller Korrektheit gestellt wird – in der Korrektheit des Hier und Jetzt.

Jeder einzelne Mensch ist unersetzlich

Was ist der Sinn des Lebens? Viktor Frankl gibt darauf folgende Antwort: „Das nun, was jeweils auf uns wartet, diese konkrete „Forderung der Stunde, kann eine Antwort in verschiedenem Sinne erheischen.“ In erster Linie kann seiner Meinung nach das Antworten ein tätiges Antworten sein, ein Antwortgeben durch ein Tun. Aber auch ein Beantworten von konkreten Lebensfragen mit einer Tat, die man setzt, oder mit einem Werk, das man schafft. In seinem konkreten Lebensumkreis ist jeder einzelne Mensch unersetzlich und unvertretbar, und dort ist es jeder.

Die Aufgaben, die ihm sein Leben auferlegt hat nur dieser Mensch, und ausschließlich von ihm ist gefordert, sie zu erfüllen. Und das Leben eines Menschen, der seinen relativ größeren Lebenskreis nicht zur Gänze ausgefüllt hat, bleibt unerfüllter als das eines Menschen, der seinem enger gezogenen Kreis wirklich genügt. Selbst ein Arbeitsloser hat in seiner allzu reichlichen Freizeit die Chance, seinem Leben Sinn zu verleihen. Nur der unerschütterliche Glaube an einen unbedingten Lebenssinn macht das Leben erträglich. Quelle: „Über den Sinn des Lebens“ von Viktor E. Frankl

Von Hans Klumbies