Die Autoritären sind auf dem Vormarsch

Es herrscht Eile. So pflegen jetzt Autoritäre ihren Autoritarismus zu rechtfertigen. Alles sei dringlich inmitten der „Völkerwanderung“, wie die Neue Rechte warnt, und in Zeiten „schöpferischer Zerstörung“ (Joseph Schumpeter), wie Neoliberale verheißen. Roger de Weck fügt hinzu: „Im globalen Kulturkampf gegen islamische und afrikanische Massen kämpft das Abendland um sein Überleben. Im globalen Wirtschaftskampf sind alle Konzerne existenziell gefährdet.“ Jederzeit besteht „sofortiger Handlungsbedarf“. Das ist die Stunde der Autoritären. Die Dramatik der Verhältnisse untermauert ihre Kritik an der schwerfälligen Demokratie. Ausnahmezustände rechtfertigen es, die freie Debatte abzuwürgen und die Einwände kleinlicher „Bedenkenträger“ abzuschmettern. Die offene Gesellschaft lässt sich ganz und gar unkreativ zerstören. Wie viel Demokratie erträgt der Ultrakapitalismus? Sein Vordenker, der neoliberale Ökonom Milton Friedman, beriet 1975 den chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Markt und Autoritarismus waren keine Gegensätze mehr

Milton Friedman empfahl ein „shock program“, eine Schocktherapie für Chile. Der Ratschlag des weltberühmten Wirtschaftsprofessors von der Universität Chicago wurde befolgt und von Pinochets Chicago Boys umgesetzt. Dabei handelte es sich um lauter ehemalige Studenten von Milton Friedman. Ihre „Es muss weh tun, sonst wirkt es nicht“-Politik verdoppelte den Anteil der in Armut lebenden Chilenen auf vierzig Prozent der Bevölkerung. Das Regime unterdrückte die Menschen und ließ die Nation hochleben.

In der neoliberalen Diktatur von Augusto Pinochet waren Markt und Autoritarismus keine Gegensätze mehr. Firmen waren dort freier als Bürger. Hand in Hand arbeiten die unsichtbare Hand des Markts und die harte Hand der Regierung. Die britische Dereguliererin Margaret Thatcher wollte damals, wie jetzt die Neue Rechte“, ihre demokratischen Widersacher ausgrenzen. Die Gewerkschaften, deren Macht sie brach, waren in den Worten der Eisernen Lady nicht Gegenspieler, sondern der „Feind im Inneren“.

Es fehlen Gegenmodelle zum Kapitalismus

Als ein Jahrzehnt später der „Ostblock“ und die Sowjetunion zerbrachen, der real existierende Sozialismus inexistent wurde, verhärtete sich der Austeritätskapialismus weiter. Nun musste er noch weniger Rücksicht auf Verlierer nehmen, denn Unzufriedene waren ungefährlich geworden. Denn sie können ja nicht mehr „zu den Kommunisten überlaufen“. Diese Urangst hatte im Kalten Krieg die Antikommunisten geplagt. Deswegen hatten sie die soziale Marktwirtschaft kräftig ausgebaut, um die Menschen versöhnlich zu stimmen und den Zulauf zu revolutionären Parteien zu mindern.

Ähnlich hatte der Reichskanzler Otto von Bismarck im 19. Jahrhundert die allerersten Sozialversicherungen eingeführt. So wollte er den Sozialdemokraten das Wasser abgraben. Doch nach dem Mauerfall und dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums waren die Unterprivilegierten kein Risiko mehr. Auch die verbliebenen Antikapitalisten wirkten ziemlich harmlos in der anbrechenden Ära, in der erwiesenermaßen nur noch der Kapitalismus funktionierte. Vorderhand fehlen in der Tat fundierte, wirklich breit praktikable Gegenmodelle zum Kapitalismus, was ihn massiv und nachhaltig stärkt. Quelle: „Die Kraft der Demokratie“ von Roger de Weck

Von Hans Klumbies