Politiker brauchen dringend einen besseren Umgang mit Fehlern

In ihrem Buch „Die Fehlbaren“ analysiert Helene Bubrowski das Fehlverhalten, die Skandale und Rücktritte von Politikern. Helene Bubrowski fordert: „Um das Ansehen der Politik nicht weiter zu beschädigen und Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, brauchen wir dringend einen anderen Umgang mit Fehlern.“ In der Politik fallen Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung oft auseinander. Politiker sind darauf geeicht zu erzählen, wie gut ihren die Dinge gelungen sind. Medien und Wähler sehen das selten genauso. Das öffentliche Urteil liegt meist irgendwo zwischen enttäuschend und ungenügend. Fehlentscheidungen und andere Verfehlungen sind im politischen System nicht vorgesehen, obwohl sie ein Teil davon sind. Und weil es Fehler nicht geben darf, ist der typische Reflex von Männern und Frauen in der Politik, sie zu vertuschen, abzustreiten und auszusitzen. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

Fehler sind im politischen Geschäft so was wie ein Tabu

Wenn es gar nicht anders geht, verstecken Politiker Probleme hinter Worthülsen. Die Krise als Chance begreifen zum Beispiel. Oder ein erbitterter Streit heißt dann plötzlich lebhafte Debatte. Schlechte Wahlergebnisse kann man in gute verwandeln, wenn man nur die passende Vergleichsgröße findet. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um mit Politikern über ihre Fehler zu sprechen. Helene Bubrowski hat es trotzdem versucht. Die Verabredungen für diese Gespräche liefen jedoch anders als sonst, viel komplizierter.

Es geht der Autorin nicht darum, jemanden vorzuführen oder bloßzustellen. Sie will sich nicht über Politiker erheben, sondern verstehen, warum Fehler in diesem Geschäft so was sind wie ein Tabu. Viele haben sich dann doch auf das Gespräch eingelassen. Rund 30 Politiker und Politikerinnen haben Helene Bubrowski hinter die Fassade blicken lassen. Sie haben ihr von ihren schweren Verfehlungen erzählt oder von keinen Fehltritten, die durch einen dummen Zufall zu einem Skandal geworden sind.

Eine neue Fehlerkultur hat es nicht leicht

Zu den Interviewpartner zählen unter anderem Andreas Scheuer, Annalena Baerbock, Jens Spahn, Anne Spiegel und Philipp Amthor. Fehlerkultur ist für Helene Bubrowski mehr als Lessons learned, aber die Frage, welche Lehren man aus den Fehlern ziehen kann, gehört zwingend dazu. Das Problem dabei ist, dass diese Frage in der Politik viel zu selten gestellt wird. In vielen anderen Bereichen ist sie eine Selbstverständlichkeit. In brenzligen Lagen setzen Politiker Krisenstäbe ein. Es gibt eine allgemeine Erleichterung, wenn sie ihre Arbeit einstellen können. Dabei müsste ein Teil der Arbeit dann erst beginnen. Die Nachlese kommt in der Regel viel zu kurz.

Helene Bubrowski weiß: „Fehlerkultur kann nicht ohne die Gesellschaft gedacht werden. Die Erwartung an Politik ist widersprüchlich: Die Menschen wollen reflektierte und selbstkritische Politiker und gleichzeitig erwarten sie Stärke und Durchsetzungskraft.“ Politik ist ein Spiegel der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die in sich ruht, verzeiht Fehler eher als eine, in der es gärt. Da werden Fehler zur politischen Waffe in der Hand all jener, die auf Krawall aus sind. Eine neue Fehlerkultur hat es daher nicht leicht.

Die Fehlbaren
Politiker zwischen Hochmut, Lüge und Unerbittlichkeit
Helene Bubrowski
Verlag: dtv
Gebundene Ausgabe: 220 Seiten, Auflage 2: 2023
ISBN: 978-3-423-28325-0, 24,00 Euro

Von Hans Klumbies