Es tobt ein Kampf zwischen Gut und Böse

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 03/2024 erörtert die Frage: „Gibt es die Guten und die Bösen?“ Friedrich Nietzsche meinte, dass die Religion ihren Begriff des Guten aus einer „Sklavenmoral“ zöge, die das Starke, Herrische als böse abwerte, um die Schwachen triumphieren zu lassen. Die Zuschreibung des Bösen liegt für den Philosophen Fabian Bernhardt nahe, sobald ein Gegenüber sich an Werten orientiert, die man selbst für problematisch oder gar gefährlich hält. Der Zwang zur Rechthaberei gilt bekanntlich als eine in Deutschland besonders stark ausgeprägte Untugend. Auch weltweit gilt: affektive Erregungswellen, die sich übereinandertürmen, eine nicht endende Flut von Shitstorms, beleidigende Interferenzen, wohin man auch schaut. Wer in Bezug auf eine bestimmte Streitfrage oder einen bestimmten Konflikt jeweils die Guten und die Bösen sind, scheint dabei häufig von vornherein ausgemacht.

Dogmatismus führt zu Spaltung und Hass

Fabian Bernhardt weiß: „Und wo kein Verstehen und kein Austausch mehr stattfindet, ist es bis zum Dogmatismus nicht mehr weit. Verhärtung der Fronten, wechselseitige Dämonisierung, Spaltung und Hass sind die Folge.“ Feind ist der, mit dem man nicht mehr spricht. Wie der Zerstörungswille zum Hass gehört der Abbruch der Kommunikation zum Wesen der Feindschaft. Die Möglichkeit, dass der andere recht hat, kommt unter diesen Bedingungen nicht mehr in Betracht.

Talentierte Menschen verdienen besser, ernten mehr Anerkennung und verkörpern das innerste Prinzip der Leistungsgesellschaft. Doch handelt es sich bei näherem Hinsehen um ein unhaltbares Konzept, das nicht nur ungerecht ist, sondern auch Menschen in die Verzweiflung treibt. Die Philosophiestudentin Vivian Knopf fordert: „Höchste Zeit, es abzuschaffen.“ Die Gesellschaft sollte sich stattdessen darauf konzentrieren, möglichst viele Menschen mit Kompetenzen auszustatten. Dies würde ein erfülltes Leben bedeuten, ausgezeichnet durch aktives Gestalten und Meistern von komplexen und ergebnisoffenen Situationen.

Das berühmte Leitmotiv von Paul Feyerabend lautet „anything goes“

Auf Deutschlands Straßen regt sich der Widerstand gegen Remigrationspläne und andere menschenrechtsverletzende Vorhaben der AfD. Doch die Philosophin Eva von Redecker meint, dass dabei bei genauerem Hinsehen für das Falsche gekämpft wird. Denn mobilisiert wird nicht gegen die realen, bereits in der Gegenwart stattfindenden Rechtsverletzungen, sondern gegen Verbrechen von AfD und Konsorten, die in er Zukunft befürchtet werden. Eva von Redecker betont: „Was im Grund heißt, dass man die Gegenwart, so wie man sie kennt und gewohnt ist, verteidigt.“

Die Wahl des „Klassikers“ fiel diesmal auf den Philosophen Paul Feyerabend. Sein Ansatz, dass die Annahme rationaler Prinzipien der Theorieabfolge ad absurdum führt, mündet in Relativismus oder gar Anarchismus. „Anything goes“ lautet sein berühmtes Leitmotiv, mit dem er ironisierend die methodenzentrierten Wissenschaftsphilosophien in seinem Umfeld zurückweist. Stattdessen müsse Wissenschaft, um produktiv zu sein, stets offen für neue Ansätze sein. Man dürfe sie nicht methodisch einzwängen, sondern müsse ihr den größtmögliche Freiraum geben, sich weiterzuentwickeln.

Von Hans Klumbies