Die romantische Liebe existiert jenseits der sozialen Bedinungen

Die romantische Liebe ist die Kitsch-Version einer Liebesform, die noch heute die Gemüter erregt. Peter Trawny erläutert: „Man fordert gleichsam von sich selbst, dass es keine anderen Motive in der Liebesbeziehung gibt als eben nur die Liebe. Weder wählt man das Geld noch das Ansehen, weder will man den guten Namen noch die Erbschaft – man will rücksichtslos diesen Einen, wie er ist. Wie romantisch …“ Als romantisch gilt demnach die Betonung der reinen Liebe jenseits der sozialen Bedingungen, in denen die Liebenden sich befinden. Allerdings gibt es ein engeres Verständnis dieser Liebe, wenn man an die Kunst und Dichtung in der Romantik denkt, die damals auch als mögliche Lebensform betrachtet wurde. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Die Gegenwart ist a-romantisch

Beispielhaft mag da Friedrich von Hardenberg alias Novalis sein. Er schreibt in einem Fragment: „So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.“ Das setzt voraus, dass man den ursprünglichen Sinn verloren hat. Die Welt ist heute a-romantisch. Die Romantik ist demnach schon immer eine Antwort, ein Kommentar. Der Soziologe Niklas Luhmann hat diese Dialektik in seinem wichtigen und schönen Buch „Liebe als Passion“ betont. Die Romantische Liebe sei an der Wende zum 19. Jahrhundert das Gegenkonzept zu einem Beziehungsmodell, bei dem man davon ausging, dass nach der Eheschließung „Zuneigung und Liebe“ sich schon einstellen würden.

„Selbstzentrierte Individualität“ und „zwischenmenschliche Interpenetration“ hätten darin keine große Rolle gespielt. Das aber gelte nicht für die „moderne Welt“. Diese habe die Symbolik der Passion und des Zufalls ausdifferenziert und dabei vergessen, Prinzipien zu entwickeln, die „für Ehen oder andere Intimbeziehungen Stabilität in Aussicht stellen“ konnten. Die Romantik habe darauf „durch Flucht in Übersteigerung“ reagiert. Niklas Luhmann meint demnach, dass es im 18. Jahrhundert üblich war, Liebesbeziehungen durch bestimmte in der Gesellschaft konventionalisierte Verhaltensformen zu organisieren.

In der Romantik entdecken die Menschen die Sprache der Liebe

Es waren häufig noch die Familien, die über die Verheiratung ihrer Söhne und Töchter entschieden. Dabei war es keineswegs wichtig, ob diese Männer und Frauen ein leidenschaftliches Gefühl füreinander teilten. Das konnte sich nach der Eheschließung einstellen, es konnte aber auch ausbleiben. Peter Trawny erklärt: „Die Ehepartner waren einander verpflichtete Freunde. Das änderte sich in der Moderne, die auch Niklas Luhmann mit der Romantik beginnen lässt.“

Die alten Lebensformen verloren damals an Überzeugungskraft. Männer und Frauen begannen, die Sprache der Liebe zu entdecken. An die Stelle der kontrollierten Familienplanung trat die leidenschaftliche Zweisamkeit, die nun all die Erwartungen erfüllen sollte, die vorher ein breiter sozialer Kontext mitgetragen hatte. Ja, mehr noch: Wo sich in der vormodernen Welt der Einzelne in religiös, moralisch, sozial und politisch anerkannten Lebensformen orientieren konnte, erscheint in der Romantik zum ersten Mal das absolut losgelöste Subjekt, das alle Orientierung einzig und allein in und aus sich selbst erfinden musste. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies