Das Christentum lehnte die Gelehrsamkeit ab

In der Spätantike und im Frühmittelalter kam es zu einer Kritik wie auch zum Verlust weltlichen Wissens. Beter Burke stellt fest: „Maßgebliche christliche Autoren lehrten Gelehrsamkeit rundweg ab.“ Einer von ihnen war Tertullian (ca. 155 – ca. 240), der behauptete, seit Jesus Christus bedürfen wir des Forschens nicht mehr. Ein weiterer war Augustinus, der die „eitle Wissbegier“ kritisierte. Das Frühmittelalter gilt jedoch heute nicht mehr als die Zeit der „Dunklen Jahrhunderte“. Doch der Verlust von Wissen in den Jahren 500 bis 1000 lässt sich kaum leugnen. Der Niedergang der Städte ging mit dem Verlust der Fähigkeit des Lesens und Schreibens einher. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Das Wissen der Griechen war verloren gegangen

Auch die Zahl der Bibliotheken nahm in diesem Zeitraum rapide ab. Die Klosterbibliotheken von Reichenau und Sankt Gallen verfügten über jeweils nicht mehr als vierhundert Bücher. Obwohl sie seinerzeit bedeutende geistige Zentren waren. Universalgelehrte des Frühmittelalters litten unter dem Problem, dass es „zu wenig“ zu wissen gab. Peter Burke weiß: „In Westeuropa war das Wissen der Griechen verloren gegangen. Hinzu kam, dass das Wissen der klassischen Tradition großteils als heidnisch verurteilt wurde.“

Viele Texte, darunter auch Varros Auflistung des Wissens der Antike, kopierte man nicht mehr und so fielen sie dem Vergessen anheim. Medizinisches und mathematisches Wissen kam weitgehend abhanden. In dieser Situation bestand die Hauptaufgabe von Gelehrten in Rettungsaktionen. Sie mussten eher versuchen, das zu bewahren und zusammenzufügen, was von der klassischen Tradition übriggeblieben war, als es um Neues zu ergänzen. Die Gelehrten dieser Zeit trugen aber nicht nur Fragmente des griechischen und römischen Wissens zusammen, sondern klassifizierten sie auch.

Zu den herausragenden Gelehrten gehörte Boethius

Die „Sieben Freien Künste“ unterteilten sie in zwei Gruppen. Das Trivium besteht aus den drei Wortwissenschaften Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Das Quadrivium setzt sich aus den vier Zahlenwissenschaften Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musiktheorie zusammen. Unter diesen Umständen könnte man meinen, müsste es einfacher als zuvor gewesen sein, zum Universalgelehrten zu werden. Schließlich gab es weniger zu studieren. Andererseits war es schwieriger geworden, die benötigen Bücher zu finden.

Mehr denn je bedurfte es umfassend gebildeter Personen, die in der Lage waren, verstreute Wissensfragmente wieder zusammenzufügen. Peter Burke nennt drei Beispiele: „Zu den herausragendsten unter diesen Gelehrten gehörten Boethius, Isidor von Sevilla und Gerbert von Aurillac.“ Boethius (ca. 480 – 524) war ein römischer Senator, Konsul und „magister officiorum“. Mit anderen Worten ein Vorsteher der Beamten am Hof des Ostgotenkönigs Theoderich, der in der Nähe von Ravenna residierte. Quelle: „Giganten der Gelehrsamkeit“ von Peter Burke

Von Hans Klumbies