Der dialektische Dreischritt ist ein Gerücht

Der berühmte dialektische Dreischritt ist für Patrick Eiden-Offe nur ein Gerücht. Denn die ewige Leier von These, Antithese und Synthese hilft nicht wirklich weiter. Das wird schon dadurch deutlich, dass die drei Begriffe in der „Logik“ von Georg Wilhelm Friedrich Hegel in der erwarteten Kombination gar nicht vorkommen. Die Begriffe tauchen zwar vereinzelt auf. Aber dies durchgängig nur im Kontext einer Beschäftigung mit Immanuel Kant. Patrick Eiden-Offe stellt fest: „Hegel entleiht die Begriffe Kants. Er macht sie sich aber nie zu eigen.“ Dennoch bleibt in der „Logik“ eine gewisse Ordnung erhalten. An die Stelle des leeren Schematismus, der sich über die dialektische Methode gelegt hat, tritt nicht unversehens ein Chaos oder freies Fluten. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

Hegel verwendet überall die negierende „Negation“

„Inmitten des bewegten Begriffs“, so bemerkt Theodor W. Adorno, „behauptet sich viel mehr an Invarianz, als erwartet.“ Auch nach einer Öffnung der Perspektive bleibe „die Zahl der Hegelschen Motive endlich“. Zu ihrer Sortierung schlägt Theodor W. Adorno eine „Katalog der Hegelschen Invarianten“ vor. Zu den Begriffen, die sich nicht verändern, gehört zweifellos der dialektische Dreischritt als solcher. Allerdings fordert Hegel seine Leser dazu auf, ihn elastisch zu handhaben und ihn nicht zu einem leeren Schema zu verdinglichen.

Patrick Eiden-Offe erklärt: „Durch diese Elastizität werden wir als Lesende bei der Lektüre umso heftiger hin und her geworfen.“ Hegel verwendet nie die setzende Variante, die man als den Lehrbüchern der Dialektik kennt, sondern überall die negierende „Negation“. Die „Negation der Negation“ ist in der „Logik“ allgegenwärtig. Wobei auch hier das erste Moment des Dreischritts nie als Position angesprochen wird. Sondern Hegel betrachtet es immer als Ergebnis einer vorangegangenen „Negation der Negation“.

Es gibt bei Hegel eine Tendenz der Vervielfältigung

Damit aber ist, von Anfang an mit der Zweiheit des Negativen auch die Tendenz zur Vervielfältigung schon angelegt. Diese bringt Hegel am Ende der „Logik“ auf den Begriff der Quadruplicität. Diese kann also zugleich als Einsatzpunkt und als Abbreviatur unendlicher Negationsreihen gelesen werden. In der „Logik“ lassen sich zwei Funktionen oder Stoßrichtungen des dialektischen Dreischritts unterscheiden: Bestimmung und Auflösung. Im ersten Fall geht Hegel von einer zunächst noch unbestimmten Sache aus.

Über diese kann man qua Unbestimmtheit gar nichts weiter aussagen. Hegel nennt eine solche Sache „abstrakt allgemein“ und „unmittelbar“. Diese Sache wird in einem zweiten Schritt negiert: eingegrenzt, abgesetzt von anderen Sachverhalten. Die Negation des Unbestimmten führt zu immer weiteren Bestimmungen der in Rede stehenden Sache. Leitend ist hier ein Satz Baruch de Spinozas, den Hegel als eine solchen von „durchgängiger Wichtigkeit“ kennzeichnet: „Determinatio est negativo.“ Quelle: „Hegels Logik lesen“ von Patrick Eiden-Offe

Von Hans Klumbies