Niccolò Machiavelli (1469 – 1527) hält wenig von der gutgemeinten Idee oder Illusion, wonach die Regierten automatisch bessere Menschen wären als die Regierenden. Dass Macht korrumpiert, ist eine alte Weisheit, die gerne übersehen lässt, dass Ohnmacht es in nicht geringerem Maße tut. Die als unschuldig gewürdigten Opfer sind es oft bloß mangels Gelegenheit. Und ihre moralische Verklärung ist in den Auswirkungen manchmal gar nicht menschenfreundlich. Bis zu seinem Sturz im Februar 1513 ist Niccolò Machiavelli Kanzler für innere und äußere Sicherheit der Republik Florenz unter den Medici. Erst in der Verbannung, auf seinem kleinen Landgut Albergaccio im Dorf Sant` Andrea in Percusina, fünfzehn Kilometer südwestlich von Florenz, wird er zum Theoretiker. Sein Name ist durch seine endlosen Verunglimpfungen den Menschen bis heute so vertraut geblieben.
Die Menschen sind durch ihre Ambitionen versklavt
Gewiss ist Niccolò Machiavelli nicht den Humanisten zuzurechnen. Denn diese vertreten ein Menschenbild der Würde, Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit. Zwar sind die Menschen auch bei ihm nicht von Natur aus schlecht. Sondern sie sind durch ihre Ambitionen versklavt und undankbar selbst ihren Wohltätern gegenüber. Denen zu schaden hält sie höchstenfalls ein ungewisses Ehrgefühl zurück. Ihre Wünsch fügen sich ihren Möglichkeiten nicht, weshalb ihnen in jedem Fall zu misstrauen ist.
Die Gesetze sind geschaffen, um die Bürger vor der Unzufriedenheit und dem Undank ihrer Mitmenschen zu schützen. Aber der Staat dient ebenso der Verwirklichung ihrer Ambitionen wie ihrer Bändigung und Kanalisierung. Und zur Mär von der Tyrannengewalt und Teufel in Menschengestalt: Nie hat Niccolò Machiavelli das Gute böse oder das Böse gut genannt. Ein Herrscher darf sich seiner Meinung nach um den Vorwurf der Grausamkeit nicht kümmern, wenn er dadurch seine Untertanen in Einigkeit und Ergebenheit halten kann.
Die Untertanen sollten einen Herrscher fürchten
Statuiert er nämlich einige wenige abschreckende Beispiele, so ist er barmherziger als diejenigen, die infolge großer Milde Unordnung einreißen lassen. Denn aus dieser Mildtätigkeit entstehen Mord und Plünderung. Diese treffen gewöhnlich die Allgemeinheit. Exekutionen, die vom Herrscher ausgehen, treffen nur Einzelne. Unter allen Herrschern ist es einem neu zur Macht gekommenen unmöglich, den Ruf der Grausamkeit zu vermeiden. Denn eine neu gegründete Herrschaft ist voller Gefahren.
Daran schließt sich eine Streitfrage: „Ist es besser, geliebt als gefürchtet zu werden oder umgekehrt?“ Die Antwort lautet, dass man sowohl das eine als auch das andere sein sollte. Da es aber schwer ist, beides zu vereinigen, ist es sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein, wenn man schon auf eines von beiden verzichten muss. Denn von den Menschen kann man im Allgemeinen sagen, dass sie undankbar, wankelmütig, verlogen, heuchlerisch, ängstlich und raffgierig sind. Quelle: „Handbuch der Menschenkenntnis“ von Georg Brunold (Hg.)
Von Hans Klumbies