Die Außenwelt ist vom Bewusstsein unabhängig

Der naive Realismus geht davon aus, dass es eine Außenwelt gibt, die vom Bewusstsein unabhängig ist. Deren Vorhandensein ist der entscheidende Grund dafür, dass man Realist sein sollte. Markus Gabriel erläutert: „Naiv an dieser Annahme ist, dass sie entweder letztlich trivial ist und von niemanden bestritten werden sollte. Oder das sie theoretisch unzureichend fundiert ist.“ Sie ist letztlich trivial insofern, als sie sich auf das Argument aus der Faktizität verlassen darf. Dieses besagt in aller Kürze, dass jede theoretisch artikulierbare Stellung des Gedankens zur Objektivität damit rechnet, dass irgendetwas unabhängig von einer Registrierung ist. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Die Wahrheit lässt sich nicht unterlaufen

Etwas ist unabhängig von der Registrierung, wenn es auch so gewesen wäre, wie es ein bestimmtes System auffasst, wenn das System es nicht aufgefasst hätte. Der Solipsismus des Augenblicks ist eine radikale skeptische Hypothese. Denn er droht alle Wissensansprüche mit einem Schlag zunichtemachen. Er beschreibt ein Szenario, in dem niemand etwas wissen kann. Denn es gibt in einem Menschen nicht genügend mentale Ressourcen, um das betroffene Subjekt zu einem Wissensanspruch zu befähigen.

Markus Gabriel stellt fest: „Wenn der Solipsismus des Augenblicks wahr wäre, könnten wir ihn ex hypothesi nicht für wahr halten.“ Damit gelingt es selbst einem solchen extremen Gedankenspiel nicht, die Wahrheit zu unterlaufen. Sondern es imaginiert lediglich ein Subjekt, das seine eigene Situation nicht zu begreifen vermag. In dieser Position kann man sich nicht befinden. Denn man ist im Begriff, sich zu fragen, welche Optionen welche Konsequenzen haben.

Das Sein und sein Erscheinen fallen zusammen

Das setzt jedoch voraus, dass dem Betroffenen theoretisch minimal fundierte Annahmen zur Verfügung stehen. Selbst der extreme Solipsismus des Augenblicks wird demnach nicht dadurch wahr gemacht, dass ihn jemand für wahr hält, weil er nicht zugleich wahr sein und für wahr gehalten werden kann. Der subjektive Idealismus à la George Berkeley verletzt die Auflage des Arguments aus der Faktizität nicht. Er beansprucht, eine Entdeckung theoretisch zum Ausdruck zu bringen.

Nämlich die einer Beweisführung bedürftige Entdeckung, dass der Anschein einer materiellen, dreidimensionalen Wirklichkeit sich vermeintlich besser dadurch erklären lässt, dass mentale Zustände eine Binnenstruktur aufweisen. Diese führt dazu, dass Menschen ihre mentale Bühne nach außen projizieren. Wenn phänomenales Bewusstsein tatsächlich ontologisch subjektiv ist, bedeutet dies, dass sein Vorliegen darin besteht, dass Menschen etwas auf eine bestimmte Weise erscheint. Sein Sein und sein Erscheinen fallen zusammen, was freilich nicht bedeutet, dass das phänomenale Bewusstsein überdies epistemisch subjektiv ist. Quelle: „Fiktionen“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies