Das rationale Tier ist allgegenwärtig

Ludwig Huber will in seinem Buch „Das rationale Tier“ nicht nur zeigen, was die Forschung heute über den Geist der Tiere weiß und wie sie es herausgefunden hat, sondern auch, wozu das gut ist. Neben der zweckfreien Befriedigung der Neugierde treibt ihn auch ein moralischer Imperativ. Ludwig Huber schreibt: „Um sie zu retten, müssen wir uns kümmern, und kümmern können wir uns nur, wenn wir sie verstehen.“ Dazu stellt er die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Diese verlangen eine entschiedene Revision der irrationalen und ethisch fragwürdigen Einstellungen der Menschen gegenüber Tieren. Intelligenzbestien in der Tierwelt findet man an Land, in der Luft und auch unter Wasser. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Manche Tiere können zukünftige Ereignisse vorausdenken

Ob Tiere rational sein können und ob sie Bewusstsein haben, zählt zu den spannendsten und umstrittensten Fragen der Biologie und vergleichenden Psychologie. Im vorliegenden Buch „Das rationale Tier“ behandelt Ludwig Huber verschiedene Aspekte von Bewusstsein und Rationalität. Dabei geht er von einem primär funktionalen Ansatz aus. Neueste Forschungen scheinen darauf hinauszulaufen, dass die ursprüngliche Funktion von Bewusstsein die Ermöglichung von willentlichen Bewegungen ist.

Manche Tiere haben sogar die Fähigkeit, über das Wissen anderer nachzudenken. Sie antizipieren die Handlungen anderer und übernehmen zum Teil deren Perspektive. Einige Tiere können innovativ und kreativ sein. Sie finden spontan Lösungen für völlig neue Probleme, indem sie frühere Erfahrungen rekombinieren oder Artgenossen selektiv kopieren. Manche können Werkzeuge nicht nur effizient einsetzen. Sie können deren Wirkung sogar durch gezielte Modifikation steigern oder sogar neue Werkzeuge herstellen. Manche Tiere können sogar zukünftige Ereignisse vorausdenken und entsprechend ihre Handlungen planen.

Einige Tiere handeln praktisch und rational

Es gibt auch Tiere, die ihre Entscheidungen durch das Abwägen von Zielen treffen. Dabei wählen sie die effizientesten Wege dorthin aus und berücksichtigen dabei aktuelle und zukünftige Motivationen. Für Ludwig Huber steht fest: „Mit diesen Fähigkeiten erfüllen sie (einige, auch wenn nicht alle) Kriterien praktisch-rationalen Handelns.“ In ethischer Sicht hinterfragt die Kognitionsforschung traditionelle Einstellungen im Umgang mit Tieren, insbesondere seiner Instrumentalisierung, ob als Nahrungsmittel oder Versuchstier.

Entsprechend Goethes Ausspruch „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“ sollte das zunehmende Wissen über die kognitiven Fähigkeiten von Tieren den Zweifel der Menschen nähren, ob sie richtig mit ihnen umgehen. Die weltberühmte Verhaltensforscherin Jane Goodall ist fest davon überzeugt, dass ein harmonisches Zusammenleben von Menschen und Tieren auf der Erde möglich ist. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass zwischen Menschen und Tieren eine gegenseitige Abhängigkeit besteht. Zudem sollte der Mensch die Tiere in ihrem eigenen Lebensrecht respektieren.

Das rationale Tier
Eine kognitionsbiologische Spurensuche
Ludwig Huber
Verlag: Suhrkamp
Gebundene Ausgabe: 671 Seiten, Auflage: 2021
ISBN: 978-3-518-58771-3, 34,00 Euro

Von Hans Klumbies