Jeder Mensch ist für alle und alles verantwortlich

Die Geschwister Scholl und ihre Freunde von der Weißen Rose folgten ihren moralischen Prinzipien und ihrem Gewissen. Sie bezahlten dafür mit dem Tod. Klaus-Peter Hufer erklärt: „Das zu tun, was ihnen als richtig geboten erschien, stand für sie höher als das eigene Leben. Sie übernahmen Verantwortung.“ Verantwortung meint laut Duden die „Verpflichtung, für etwas Geschehenes einzustehen“. Synonyme von Verantwortung sind Moral, Gewissenhaftigkeit und Pflichtgefühl. Doch wie weit geht die persönliche Verantwortung? Der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 – 1861) war der Ansicht, dass die Verantwortung eines jeden Menschen sehr weit reicht. Ein berühmter Satz von ihm lautet: „Jeder Mensch ist für alle und alles verantwortlich.“ Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

Die Verantwortung gilt auch in einem Dilemma

Danach steckt jeder Mensch in einem tiefen Dilemma. Alles, was er tut, hat Folgen, die er angestoßen, initiiert, indirekt mitbeeinflusst oder selbst aktiv in eine Tat umgesetzt hat. Auch wenn eine Handlung unterbleibt, wenn man sich passiv verhält, hat das seine Wirkung. Eben durch Unterlassung und dadurch, dass man etwas ungehindert geschehen lässt. Die Verantwortung gilt auch in einem Dilemma. Also in einer Situation, in der ein Mensch in eine Zwickmühle gerät.

Dabei muss er eine Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten treffen, die beide nicht zu einem gewünschten Resultat führen. Aus der Verantwortung gibt es keinen Ausweg. Man ist verantwortlich, so oder so. Die französische Schriftstellerin Simone de Beauvoir (1908 – 1986) hat die Dramatik einer solchen Verantwortung und das Dilemma in das man raten kann, in einem Roman dargestellt. Er heißt „Das Blut der anderen“ und handelt von einer Gruppe junger Frauen und Männer, die sich der Résistance angeschlossen haben.

Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt

Dabei handelt es sich um die französische Widerstandsbewegung gegen die nationalsozialistischen Besatzer. Um gegen den Faschismus zu kämpfen, müssen Terrorakte verübt werden, wird Blut vergossen: das Blut der anderen. Das führt zu ständigen Gewissenbissen der Protagonisten des Romans und zu dem Dilemma: Sollen sie stillhalten? Oder sollen sie aktiv werden? Wie auch immer, jedes Mal übernehmen sie Verantwortung. Simone de Beauvoir gilt als Vertreterin der Philosophie des Existenzialismus.

Klaus-Peter Hufer erläutert: „Für die Existenzialisten sind die Menschen dazu verurteilt, in „orientierungsloser Ungeborgenheit“ zu leben.“ Denn der Mensch fällt bei seiner Selbstverwirklichung auf sich selbst zurück. Nur in seiner eigenen Entscheidung eröffnen sich ihm Seinsgrund und Sinngebung. Der Mensch ist einsam, aber frei und auch verantwortlich. Der bekannteste Vertreter der Existenzialisten war Jean-Paul Sartre (1905 – 1980). Er schreibt in seinem Werk „Das Sein und das Nichts“: Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein, trägt das Gewicht der gesamten Welt auf seinen Schultern: er ist für die Welt und für sich selbst als Seinsweise verantwortlich.“ Quelle: „Zivilcourage“ von Klaus-Peter Hufer

Von Hans Klumbies