Jan Wagner, der in diesem Jahr im 28. Oktober den renommierten Georg-Büchner-Preis erhält, ist ein Lyriker, dessen Texte ein untergründiges Lachen verströmen, der virtuos und klug mit der Sprache spielt. Und dennoch nimmt es sie außergewöhnlich ernst, in jeder Silbe, in jedem Klang. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung würdigt den Preisträger wie folgt: „Er wird ausgezeichnet für seine spielerische Sprachfreude, seine meisterhafte Formbeherrschung und seine intellektuelle Präsenz.“ Die Träger des Büchner-Preises werden jünger. Nach Marcel Beyer, geboren 1965, nun Jan Wagner, der 1971 in Hamburg geborene, in Berlin lebende Lyriker, Essayist und Prosaautor. Im Jahr 2015 erhielt er den Leipziger Buchpreis zum ersten Mal in der Geschichte für einen Lyrikband. Für sein Buch „Regentonnenvariationen“, das mit dem allesumschlingenden Giersch, dem Podagrakraut, beginnt und mit einem von einem Bienenschwarm unkenntlich gemachten Selbstporträt endet.
Jan Wagners Werke wurden in fast dreißig Sprachen übersetzt
Beide, Marcel Beyer und Jan Wagner, sind aber auch keine Jünglinge mehr unter den deutschen Schriftstellern. Aber sie sind Stars einer erwachsen gewordenen Literatur der Gegenwart, die sich auch international sehen lassen kann. Die Werke Jan Wagners wurden beispielsweise in rund dreißig andere Sprachen übersetzt. Der Dichter hat in Hamburg, am Trinity College in Dublin und in Berlin Anglistik studiert und ist als Übersetzer aus dem Englischen tätig. Als Autor beherrscht er auch die Beiläufigkeit erzählender und essayistischer Prosa.
Und seine Prosa beschäftigt sich immer wieder mit der Geschichte der Dichtung. In dem Band „Die Skandale der Propheten“ (Berlin Verlag) hat er über John Burnside aus Schottland geschrieben. Aber auch über Walt Whitman, Wallace Stevens, Matthew Sweeney und über Ernst Meister oder Georg Heym. In einer betörenden Fantasterei eines Philologen hat Jan Wagner seiner lebhaften Gegenwart eine literarhistorische und zugleich persönliche Vorgeschichte geschrieben: „Die Eulenhasser in den Hallenhäusern“ (Hanser).
Das Publikum für die Lyrik ist riesig
Im Jahr 2017 ist bei Hanser mit „Der verschlossene Raum“ wieder eine Prosa erschienen, die scheinbar recht beiläufig daherkommt. Seit 16 Jahren veröffentlicht Jan Wagner Lyrik. „Probebohrung im Himmel“ hieß der erste Band damals im Berlin Verlag, und ein Sommertag in der Kollwitzstraße schmeckte so: „milchgetränke, dick und fest und süß/ wie die minuten dieses sommertages:// auf dem gehsteig haben die kinder himmel und hölle/ sich selbst überlassen.“ In dem Band „Die Skandale des Propheten“ hat sich Jan Wagner auch Gedanken über die Ökonomie des Dichtens gemacht.
Man sollte seiner Meinung nach nicht fragen, ob man von der Poesie leben könne. Fragen müsse man sich vielmehr, ob man ohne Poesie leben könne oder leben möchte. Jan Wagner erklärt: „Das Publikum für die Lyrik ist riesig, auch wenn es davon noch nichts weiß.“ Jan Wagners Gedichte sind genau die richtige Verführung zu diesem Wissen. Und da, wo sich am schönsten sind, leistet ihr musikalisch komponierter Wohlklang sehr viel mehr als Verführung, schwärmt Herbert Wiesner in der Welt Kompakt. Der Kritiker ist bezaubert: „Da sind sie das schiere Glück, man kann es hören, fühlen, schmecken und sogar verstehen, denn Wagners Gedichte verzichten nicht auf das, was die Darmstädter Akademie „Geistesgegenwart“ genannt hat.“ Quelle: Welt Kompakt
Von Hans Klumbies