Menschen wollen ihrem Leben Bedeutung verleihen

Gesundheit ist in einen umfassenden Kontext eingebettet und man versteht sie als Wechselwirkung mit der Umwelt. Auffällig ist, dass auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer neuen Definition davon spricht, dass es für die Menschen darum geht, für sie „Bedeutsames“ zu tun. Barbara Schmitz ergänzt: „Das erinnert an Aaron Antonovskys Betonung der Bedeutsamkeit. Hier wie dort wird angenommen, dass es für Menschen darum geht, ihrem Leben Bedeutung zu verleihen, ihr Leben als sinnvoll zu verstehen.“ Was kann aber dies bei Krankheit heißen? Damit man genauer erfassen kann, inwiefern bei Krankheit ein lebenswertes Leben möglich ist, sollte daher die „Frage aller Fragen“ gestellt werden. Was ist der Sinn des Lebens? Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

Die Frage nach dem Sinn stellt viele Menschen vor Schwierigkeiten

Man kann ein Leben als lebenswert beschreiben, und ein Leben kann Sinn haben. Fällt beides zusammen? Auf den ersten Blick scheint dies der Fall zu sein. Barbara Schmitz erklärt: „Wer sein Leben als sinnvoll ansieht, empfindet es auch als lebenswert. Und wer sein Leben als sinnlos beurteilt, hat auch Mühe, ihm einen Lebenswert zuzuschreiben.“ Depressionen als Krankheit des Sinnverlusts, des absoluten Mangels an Sinn, führen zu einer steigenden Zahl von Suiziden.

Dennoch sind die Fragen: „Was macht mein Leben lebenswert?“ und „Was gibt meinem Leben Sinn?“ nicht miteinander identisch. Sondern sie zielen auf verschiedene Arten von Antworten. Dass die Frage nach dem Sinn Menschen eher vor Schwierigkeiten stellt, lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass Menschen mit dem Sinn etwas „Höheres“ verbinden, dass die Frage vermeintlich eine Antwort in einer anderen Dimension verlangt. Diese ist „tiefgründiger“ als die des lebenswerten Lebens.

Manchmal ist die Frage nach dem Sinn unausweichlich

Barbara Schmitz stellt fest: „An den Sinn des Lebens werden andere Anforderungen gestellt. Würde man somit das lebenswerte Leben an das sinnvolle Leben binden, würde man die Messlatte sehr hoch legen.“ Worauf zielt die Frage nach dem Sinn also ab? Bei schweren, insbesondere lebensverkürzenden Krankheiten stellt sich die Frage oft mit besonderer Schärfe. Auch andere Schicksalsschläge wie Scheidung, Tod eines Angehörigen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder ein Unfall kann die Frage unausweichlich machen.

Sie kann sich aber auch dann in den Vordergrund drängen, wenn Menschen ihre Arbeit, ihr privates Umfeld, ja ihr ganzes Leben als nichtssagend, als monoton und eintönig, eben als sinnlos erleben. Hier kann sich die, wie Albert Camus es ausdrückte, „dringlichste aller Fragen“ unvermeidlich stellen. Barbara Schmitz weiß: „In der Philosophie lässt sich jedoch eine seltsame Zurückhaltung der Frage gegenüber beobachten.“ Das mag damit zusammenhängen, dass insbesondere in der analytischen Philosophie große Skepsis herrschte, ob man eine solche Antwort überhaupt finden kann. Quelle: „Was ist ein lebenswertes Leben?“ von Barbara Schmitz

Von Hans Klumbies