Justinian kodifiziert das römische Recht

Der oströmische Kaiser Justinian hat das römische Recht in der Mitte des 6. Jahrhunderts kodifiziert. Er stärkte durch seine Vereinheitlichung und Rationalisierung die Position der Herrscher und der weltlichen Herrschaft gegenüber der Kirche. Denn unter Justinian war die Kirche ein Teil der kaiserlichen Verwaltung und das Papsttum in Rom noch kein ernst zu nehmender Faktor gewesen. Volker Reinhardt erläutert: „So spielte die Wiederentdeckung und Wiedererschließung des römischen Rechts im Mittelalter den Machthabern in die Hände, die sich von der päpstlichen Oberhoheit mit ihren Bannsprüchen, der Exkommunikation und dem Interdikt, zu befreien suchten.“ Die Wiederbelegung des römischen Rechts in Bologna fügte sich nahtlos in eine gesamtitalienische Entwicklung des 12. Jahrhunderts ein. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Aristoteles verursachte eine intellektuelle Revolution

Die Städte entwickelten sich damals zu selbstständigen Machtzentren, das Textilgewerbe blühte auf. Die Händler weiteten ihren Radius nach Osten und nach Westen aus. Italienische Bankiers ließen sich in großen Teilen Europas nieder, die Geldwirtschaft entfaltete sich, und neue, ihrem Ursprung nach nichtadelige Familien wurden reich. Darüber hinaus nahm die Bevölkerung allenthalben zu. Dadurch wuchsen vor allem die Städte, die sich mit ihren steigenden Einnahmen aufwendige neue Kirchen und kommunale Prunkbauten leisten konnten.

Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit einer intellektuellen Revolution. Diese wurde durch die Erschließung der Hauptwerke des Aristoteles ausgelöst. Seine Kerntexte zu Physik, Metaphysik und Ethik zogen die geballte Aufmerksamkeit der Theologen auf sich. Dieser neue Studienschwerpunkt hatte nicht nur ein verstärktes Interesse an der natürlichen Welt, ihren Erscheinungsformen und Gesetzen zu Folge. Sondern es folgte daraus auch eine vertiefte Beschäftigung mit dem Staat und den Menschen.

An den Universitäten wurden neue Ideen gelehrt

Die Verbindung mit der Theologie führte die aristotelische Logik zu scharfsinnigen neue Betrachtungen und Argumentationsweisen. Volker Reinhardt stellt fest: „Da diese neue Ideen an den Universitäten gelehrt wurden, bekamen sie das Unbehagen an den Neuerungen vorrangig zu spüren.“ Verfechter der Tradition schürten den Verdacht, die Hohen Schulen des Bologneser Typs verbreiteten ketzerische Lehren. Vor allem die Sorbonne in Paris war aus römischer Sicht durch ihre glänzenden Theologen mit ihren aufsehenerregenden Theorien zutiefst suspekt.

Ein zweiter Vorwurf lautete, die Universität bediene die Interessen der Reichen und Mächtigen, fördere den sozialen Wandel und sei hart am Markt gebaut, dessen Bedürfnisse sie sich unterordne. Die Ähnlichkeiten zur Polemik des 21. Jahrhunderts sind alles andere als zufällig. Die Anklagen der Traditionalisten waren nicht völlig aus der Luft gegriffen. Die neuen Reichen wollten ihren Reichtum genießen, und ihr Streben nach dem süßen und kunstvoll verlängerten Leben wurde jetzt auch von Literaten und Philosophen gerechtfertigt. Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Reinhardt

Von Hans Klumbies