In Bologna entwickelte sich eine Hohe Schule

Der Begriff „Universitas“ bezeichnete im Italien des 11. Jahrhunderts die Gesamtheit der Stadtgemeinde. Er konnte sich aber auch auf einzelne Korporationen beziehen. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Als sich in Bologna um diese Zeit eine Hohe Schule eines neuen Typs entwickelte, bildete auch sie mit ihren Mitgliedern eine Universitas.“ Wie alle diese Ganzheiten bedurfte sie jedoch einer Präzisierung. Diese hat sie bis heute in Italien beibehalten: Universitas studiorum, italienisch università degli studi. Was die neue Gemeinschaft im Innersten zusammenhielt, waren also die Studien. Studieren konnte man in Bologna wie in Italien jedoch schon lange vorher. Zum Beispiel in den größeren Städten an Kathedralschulen, wo die Auslegung der Heiligen Schrift im Vordergrund stand. Volker Reinhardt it Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Schon in der Antike gliederte man die freien Künste

Daneben gab es Ausbildungsgänge für Juristen und Mediziner, die jedoch kaum formalisiert waren. Die verschiedenen Disziplinen lehrte man nicht säuberlich voneinander getrennt. Volker Reinhardt erklärt: „So gehörte die Lektüre von Gesetzbüchern zur Rhetorik, die zusammen mit Grammatik und Dialektik das „Trivium“, wörtlich: den Dreiweg bildete.“ Diese „trivialen“ Fächer waren die Eingangsmaterie der sogenannten Sieben Freien Künste, auf die sich das „Quadrivum“, der Vierweg gründete. Zu ihm zählten die anspruchsvolleren artes Musik, Astronomie, Geometrie und Arithmetik.

Diese Gliederung freier Künste, im Gegensatz zu den mechanischen, hatte sich schon in der Antike herausgebildet. Sie wurden im Mittelalter als notwendige Vorbereitung auf die drei Studiengänge der Theologie, der Jurisprudenz und der Medizin betrachtet. Im Bereich der höheren Bildung setzte nun in Bologna kurz vor dem Jahr 1100 ein Prozess der Ausdifferenzierung und Neuformierung ein. Dieser ist mit einzelnen, zwar namentlich bekannten, doch biographisch noch kaum fassbaren Gelehrtengestalten verknüpft.

1088 gilt als das Gründungsjahr der Universität Bologna

Als mehr oder weniger fiktives Gründungsdatum für die Universität Bologna gilt das Jahr 1088, die damit europäisches Erstgeburtsrecht für sich in Anspruch nehmen könnte. Doch Bildungseinrichtungen dieser Art wurden noch nicht durch präzise Willensakte aus der Taufe gehoben, sondern reiften allmählich heran. Dieses Wachstum beschleunigte sich im nächsten halben Jahrhundert beträchtlich. Gleichzeitig gewann die „Studien-Gemeinschaft“ von Bologna ein Profil, das sich in Jahrhunderten stets weiter festigen sollte.

Volker Reinhardt weiß: „Geprägt wurde es durch prominente Professoren wie den Juristen Irnerius, der zwischen 1116 und 1140 als Erster eine von nun an verbindliche Methode des Forschens und Lehrens praktizierte.“ Er legte seinen Vorlesungen die großen Gesetzessammlungen der Spätantike zugrunde, die er den Hörern im Wortlaut vortrug und danach auslegte und kommentierte. Auf diese Weise trat das römische Recht, das in Italien nie in Vergessenheit geraten war, seinen Siegeszug an Hochschulen und Höfen an. Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Reinhardt

Von Hans Klumbies