Peter Burke analysiert das Wissen des Hochmittealters

Der Gelehrte Bernhard von Chartres, der im 12. Jahrhundert lebte, soll gesagt haben, der und seine Kollegen seinen „wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen“. Damit meinte er die Griechen und Römer der Antike. Peter Burke erklärt: „Im Frühmittelalter hatte die Herausforderung für die Gelehrten darin bestanden, die noch vorhandenen Reste der klassischen Tradition zu retten und zu bewahren.“ Im späten Mittelalter ging es dann darum, nicht nur das verlorengegangene antike griechische Wissen wiederzuentdecken und sich anzueignen. Sondern man musste sich auch mit dem neuen Wissen befassen, dass in der islamischen Welt produziert wurde. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Auch im Mittelalter gab es Universalgelehrte

Eine bedeutende Innovation der Zeit ab dem 11. Jahrhundert war die Gründung von Universitäten, namentlich in Bologna und Paris. Dadurch institutionalisierte man ein festes System von Disziplinen. Die Lehrpläne sahen vor, dass man zunächst die Sieben Freien Künste studierte, also das „Trivium“ und „Quadrivium“. Nach dem ersten Examen folgten die Disziplinen Theologie, Recht und Medizin, die eine Berufsausbildung für Kleriker, Anwälte und Ärzte boten.

Trotz dieser frühen Anzeichen von Spezialisierung führten einige die Tradition des Universalgelehrtentums im Mittelalter fort. Peter Burke nennt die sechs herausragendsten unter ihnen: „Hugo von St. Viktor, Vinzenz von Beauvais, Albertus Magnus, Robert Grosseteste, Roger Bacon und Ramon Lull.“ Hugo und Vinzenz erlangten Berühmtheit für ihre Enzyklopädien. Der Mönch Hugo von St. Viktor (ca. 1096 – 1141) stammte aus Sachsen, war aber in Paris tätig. Er schrieb über Theologie, Musik, Geometrie und Grammatik.

Hugo von St. Viktor erlangte für seine Enzyklopädie größte Bekanntheit

Doch größte Bekanntheit erlangte Hugo von St. Viktor mit seinem „Didascalicon“, einer Enzyklopädie, die nach drei Arten von Wissen gegliedert ist. Dabei handelt es sich um theoretisches Wissen, zum Beispiel Philosophie, um praktisches Wissen wie Politik oder um mechanisches Wissen wie etwa Baukunst und Seefahrt. Der Dominikanermönch Vinzenz von Beauvais (ca. 1190 – 1264) kompilierte mit Hilfe von Assistenten eine Enzyklopädie, die unter dem Titel „Speculum Maius“ bekannt ist.

Seine Enzyklopädie stützt sich auf die Schriften islamischer Gelehrter wie Ibn Sina, aber auch auf Autoren der griechischen und römischen Antike. Ebenso wie das „Didascalicon“ gliedert sich auch diese Enzyklopädie in drei Teile, hier in das Wissen über Natur, Doktrin und Geschichte. Die freien und mechanischen Künste, Recht und Medizin waren alle dem Abschnitt „Doktrin“ zugeordnet. Unter den zu dieser Zeit tätigen Universalgelehrten gab es auch zwei Engländer: Robert Grosseteste (ca. 1175 – 1253) und Roger Bacon (ca. 1214 – ca. 1292). Quelle: „Giganten der Gelehrsamkeit“ von Peter Burke

Von Hans Klumbies