„Providentia“ vereint drei Elemente

„Providentia“ war jahrhundertelang das Leitwort für menschliches Handeln in Bezug auf die Natur. Der Begriff knüpfte unmittelbar an die christliche Schöpfungslehre an. Er bezeichnete die Lehre von der Erhaltung der Welt und der Fortsetzung der göttlichen Schöpfung. Allerdings war diese Erhaltung- und Fortsetzungslehre von vornherein determiniert. Katia Henriette Backhaus erklärt: „Da die Menschen noch von der Existenz einer göttlichen Vorsehung ausgingen, war ihr Handeln in Bezug auf die Natur eher eine Art ausführender Gehorsam. So verbot sich ein allzu radikales, schädigendes Eingreifen in die Prozesse der Natur.“ Der Oberbegriff der „providentia“ bezeichnet allgemein die Handlung und die Fähigkeit, in die Zukunft hinein zu denken oder sie sogar vorauszusehen. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

Göttliche und menschliche Ursachen wirken auf die Natur ein

Diese Vorgehensweise ist zugleich das, was sein soll. Die „providentia“ ist also mit der Sorge darum verknüpft, dass die Prognose auch eintritt. Diese übergeordnete Idee vereint drei Elemente. Erstens, die „conservatio“, die Erhaltung, die Bewahrung aller Dinge in ihrem durch die Schöpfung festgelegten Existenzvollzug. Zweitens, die „gubernatio“, die Leitung und Lenkung aller Abläufe. Diese ruft sowohl zum pfleglichen Umgang mit der Schöpfung auf und wird zudem als auch als natürliche Gesetzmäßigkeit sichtbar.

Drittens, den „concursus“, das Zusammenspiel von göttlichen und menschlichen Ursachen, die auf die Natur einwirken. Katia Henriette Backhaus stellt fest: „Dieser normative Unterbau des menschlichen Umgangs mit der Natur wurde jedoch zunehmend von Zweifeln begleitet.“ Denn nur solange Menschen an Gottes Vorsehung und Lenkung glaubten, konnte die „Providentia“-Lehre der Erhaltung überzeugen. Nicht zufällig tauchten diese Zweifel zeitgleich mit der Entdeckung der Schwerkraft als einem neuen Ordnungsprinzip des großen Ganzen und der Frage nach dem Ursprung des menschlichen Bösen auf.

Die Idee der Nachhaltigkeit kollidiert mit dem Ertragssystem

Die auf der christlichen Schöpfung basierende Erhaltungslehre, die sowohl die moralische als auch die politische Perspektive der Nachhaltigkeit umfasste, hatte ihre Rechtfertigungsgrundlage verloren. Ein ganz anderes Prinzip bereitete einige Jahrzehnte später der Konflikt zwischen der moralischen und der ökonomischen Dimension des Begriffs vor. Im Jahr 1818 beschrieb der schweizerische Förster Karl Kasthofer den maximalen monetären Ertrag als den entscheidenden Kern des Nachhaltigkeitsbegriffs. Dabei handelte er ganz im Geiste des Utilitarismus.

Katia Henriette Backhaus erläutert: „Er nannte den größtmöglichen Ertrag für eine größtmögliche Zahl von Menschen als Ziel. Dafür sollte zudem kaum eine Regelung nötig sein.“ Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage, so Karl Kasthofers Überzeugung, werde mit unsichtbarer Hand den „Nachhalt“ regeln. Noch rief allerdings eine solche ökonomische Begriffsumdeutung starke Kritik hervor. Doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts bahnte sich die entscheidende Kollision der Idee der Nachhaltigkeit mit dem ökonomischen Ertragsprinzip an. Quelle: „Nachhaltige Freiheit“ von Katia Henriette Backhaus

Von Hans Klumbies

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