Migration ist ein weltweites Phänomen

Die Menschheit lebt gerade in einem Zeitalter großer Migrationsbewegungen. Diese werden zum ganz überwiegenden Teil von Krieg, Zerstörung, Klimawandel und krasser Armut ausgelöst. Menschen, die ihre Lebensgrundlage verloren haben, müssen sich auf die Flucht begeben. Die Mehrheit der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten sind Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan, also aus Ländern, die eine sogenannte Gemeinschaftskultur pflegen. Joachim Bauer ist seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv: „Bereits zur Zeit der Jugoslawienkriege gehörte ich zu einem Kollegennetzwerk, das aus dem Balkan geflohenen Frauen geholfen hat.“ Diesen war teilweise der Aufenthalt in Deutschland verweigert worden, obwohl sie schwere Traumatisierungen hinter sich hatten. Daher lebten sie zum Teil ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

Alle Menschen haben fast die gleichen Gene

Als 2015 eine neue Flüchtlingsbewegung einsetzte, hat sich Joachim Bauer wieder persönlich um einzelne, teilweise erheblich traumatisierte Flüchtlinge gekümmert: „Aufgrund der Erfahrungen, die ich hier gemacht habe, bin ich der Überzeugung, dass ein Wissen um die durch Kulturunterschiede bedingten andersartigen Sicht- und Verhaltensweisen uns helfen kann, aus fremden Kulturen stammende, zu uns geflüchtete Menschen als Individuen zu verstehen.“

Charles Darwin konnte noch nicht wissen, dass Menschen aller auf dieser Welt vertretenen Ethnien, was ihre genetische Ausstattung betrifft, zu fast hundert Prozent identisch sind. Zu seiner Zeit waren Ethnien noch „Rassen“. Er war der Meinung, eine Selektion – also Auslese – unter ihnen sei unvermeidlich. Nur eine „Rasse“ werde am Ende die Selektion überleben, wobei er davon ausging, dass dies die Ethnie der Weißen sein werde. Die Idee der Selektion, des „Survival of the Fittest“, wurde unter den Darwin-Jüngern, vor allem im deutschsprachigen Raum, zu einer regelrechten Obsession. Und das lange bevor die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernahmen.

Gene verhalten sich nicht wie Autisten

Fast dreißig Jahre früher, im Jahre 1905, gründete eine akademische Elite die Deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene. Dieser gehörten renommierte Biologie-, Medizin-, Jura- und Theologieprofessoren an. Lange bevor Adolf Hitler an die Macht kam, entstand in diesen Kreisen der Gedanke, die jüdisch-christlich-humanistische Moral sei überholte „Gefühlsduselei“. Geboten sei jetzt eine neue, evolutionsbiologisch begründete Moral. Dieser zufolge sollte es im Dienste der Gesunderhaltung der „Rasse“ den biologisch „Besseren“ nicht verwehrt dürfen, mehr Erfolg im Leben zu haben als Menschen mit Einschränkungen.

Joachim Bauer weiß: „Dass Menschen, genetisch betrachtet, zu fast hundert Prozent identisch sind, bedeutet nicht, dass ihre Körper, ihr Gehirn und ihre Psyche es auch wären.“ Der Grund dafür ist, dass sich Gene nicht wie Autisten verhalten und unabhängig davon, was in der Umwelt eines Lebewesens passiert, ihr Programm abspulen. Das Gegenteil ist richtig. Gene sind eine Klaviatur, die von Einflussfaktoren bespielt wird, die ihren Ausgangspunkt in der Umwelt haben. Quelle: „Wie wir werden, wer wir sind“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies