Ein Monopol hat man nicht einfach, ein Monopol muss man wollen. Was hier zählt, ist zum einen der unbedingte Wille zur Skalierung, zum Groß-und-immer-größer-Werden, koste es, was es wolle. Hans-Jürgen Jakobs ergänzt: „Ein geradezu manisches Aufwärts-Vorwärts-Streben, das Investoren und Analysten begeistern muss. Üblicherweise rechnen diese Spezialisten haargenau die Zehntel beim Abweichen von den Prognosen aus.“ Das kann prompt zu Liebesentzug führen. Bei Welteroberungsplänen jedoch sind sie tolerant. Wie sonst ist zu erklären, dass sie den Visionen des einst hochdefizitären Online-Buchhändlers Jeff Bezos hingebungsvoll glaubten. Amazon entwickelte sich zu einem Monopol. Denn es wollte sich aus der Masse der ordentlich, nach den Regeln der Analysten vor sich hin verdienenden Unternehmen abheben. Hans-Jürgen Jakobs ist Volkswirt und einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands.
Monopolismus verkleidet sich manchmal als Humanismus
Hans-Jürgen Jakobs weiß: „Dieses Streben zur Weltgeltung und Alleinherrschaft ist flankiert von der Überzeugung, eminent wichtig für die Menschheit zu sein.“ Monopolismus verkleidet sich manchmal als Humanismus. Bigtech trumpft auf mit einer Magna Carta für die digitale Zukunftswelt. „Konnektivität ist ein Menschenrecht“, so predigt Mark Zuckerberg. Ein besonderer Missionarsgeist hat stets auch Google begleitet. Es waren die beiden Gründer Sergey Brin und Larry Page, die den Aktionären vor dem Börsengang 2004 erklärten: Google sei alles andere als ein normales Unternehmen.
Maximale Marktgröße ist in dieser Logik nichts anderes als die Gewissheit, die Welt nach den eigenen Vorstellungen und eigenen technischen Innovationen besser zu machen. Hans-Jürgen Jakobs stellt fest: „Mit dieser inszenierten Ethik war es jedoch vorbei, als der Inhalt einer Kooperation von Google mit dem US-Verteidigungsministerium bekannt wurde.“ Da war die Aufgabe des Techkonzerns beschrieben, Videos von regierungseigenen Drohen zu analysieren, um Menschen oder Fahrzeuge zu identifizieren.
Der Raubtierkapitalismus ist von Rücksichtslosigkeit geprägt
Die Geschäfte von Amazon hätten sich niemals immer weiter ausgedehnt, wenn das Management nicht bewusst eine aggressive Preispolitik eingesetzt hätte. Die Expansion lief vom Stammgeschäft des Online-Verkaufs von Büchern hin zu DVDs. Danach peu à peu zu den Dingen des täglichen Bedarfs. Bald war Amazon Marketplace eine Plattform fürs Online-Shopping, die Drittanbieter nutzen konnten. Hans-Jürgen Jakobs fügt hinzu: „Sie machen dort heute ein Drittel des Geschäfts aus. Amazon ist ein Konglomerat, das seinesgleichen sucht.“
Schnell zeigte sich im Unternehmen des Jeff Bezos die Bereitschaft, niedrige Preise als Teil einer Strategie der „ruinösen Branchenkonkurrenz“ einzusetzen, wie Ökonomen ein solches Verhalten nennen. Hans-Jürgen Jakobs erläutert: „Die Aggressivität eines Haifischs, der Blut riecht, machte den Bezos-Konzern größer und größer.“ Der Raubtierkapitalismus neuer Prägung zeichnet sich durch operative Rücksichtslosigkeit und chirurgisch präzise Strategien aus. Quelle: „Das Monopol im 21. Jahrhundert“ von Hans-Jürgen Jakobs
Von Hans Klumbies