Fotografie im 21. Jahrhundert

Das Buch Photo Art ist ein umfassender und aktueller Überblick über die Fotografie im 21. Jahrhundert. Es vereint 112 internationale Künstler mit mehr als 500 Abbildungen. Es dürfte sich zu einem Standardwerk über die vielfältigen Darstellungsformen der zeitgenössischen Fotografie entwickeln. Die einzelnen Künstler werden mit repräsentativen Arbeiten und informativen Kurztexten vorgestellt. Eingeleitet wird der Band durch ein Essay von Paolo Bianchi zur „Ästhetik der Fotografie“. Laut Bianchi, Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste, gibt es fünf Wahrnehmungsformen von Fotografen und Fotografien, die sich zwischen folgenden Bildtypen unterscheiden: Fotografie der Imagination, der Emotion, der Erinnerung, der Assoziation und der Sensation.

Die fünf Wahrnehmungen der Fotografie

In der Fotografie der Imagination dominieren Vorstellungsbilder, Phantasie und Einbildungskraft den Ausdruck der Fotos. Bei der Fotografie der Emotion fungieren Gefühle, Stimmungen und Empfindungen parallel mit einem seelischen Erregungszustand den fotografischen Blick. Bei den Fotos, bei denen die Erinnerung die Hauptrolle spielt, sind die im Bewusstsein gespeicherten Eindrücke, Wahrnehmungen und Erfahrungen dominant.

Die Fotografie der Assoziation möchte im Bewusstsein der Betrachter kreative Prozesse auslösen. Der Bildtyp der Sensation benötigt den Augensinn als wichtigstes Moment der Wahrnehmung. Der Blick auf Stadt, Landschaft und Mensch, das Sehen an sich wird dabei zum Thema.

Roy Arden und Richard Billingham im Portrait

Die Vorstellung der Fotografen beginnt mit dem kanadischen Fotokünstler Roy Arden der in Vancouver lebt. Er fotografiert beispielsweise einen Volvomotor, die Wurzeln eines gefällten Baumes oder Paletten mit Waschpulver oder Cornflakes in einem Supermarkt von Wal-Mart.

Die jüngste Serie von Fotos des Engländers Richard Billingham, die er weltweit in Zoos aufgenommen hat, enthüllt eine neue Art emphatischer Einsamkeit, die des gefangenen Tiers. „Wenn du einen Löwen in der Wildnis ansiehst, wird er dich wahrscheinlich fressen wollen, aber ein Löwe in Gefangenschaft schaut nur durch dich hindurch“, sagt Richard Billingham.

Die wilden Landschaften der Sonja Braas

Zu den bedeutenden deutschen Bildkünstlern zählt Sonja Braas, die in New York lebt und arbeitet. Ihre Spezialität sind dramatische und ungezähmte Landschaften wie brodelnde Wildwasser von Gebirgsbächen, eisige Felsspitzen ungastlicher Berggipfel oder sich auftürmende Luftwirbel tödlicher und unerwarteter Tornados.

Die iranische Fotografin Shirana Shahbazi lebt und arbeitet in Zürich. Gegenwärtig fotografiert sie klassische Porträts und Stillleben mit natürlichen Motiven wie Blumen, Früchten und Insekten vor einem schlichten schwarzen Hintergrund. Die Auswahl dieser vier Künstler erfolgte nach dem Zufallsprinzip, genauso gut hätte es jeder der verbleibenden 108 Künstler verdient, in dieser Rezension erwähnt zu werden.

Ein 30-seitiges Glossar mit allen wichtigen Begriffen zu Fototechnik und Fototheorie beschließt das monumentale Werk. Den Herausgebern Uta Grosenick und Thomas Seelig ist ein prächtiger Bildband gelungen, der vor allem den Augensinn, aber auch den Geist anregt. Ein Muss für jeden der sich für die moderne Fotografie und deren Ausdrucksmöglichkeiten interessiert.

Photo Art
Fotografie im 21. Jahrhundert
Uta Grosenick, Thomas Seelig (Hg.)
Verlag: Dumont
Broschierte Ausgabe: 519 Seiten, Auflage: Dezember 2007
ISBN: 978-3-8321-2, 39,90 Euro

Von Hans Klumbies