Eros wurde in der Antike als Naturgewalt verstanden

Im antiken Griechenland bestanden zwischen der Sexualkultur Athens und derjenigen Kretas oder Spartas teils gewichtige Differenzen. Doch für alle drei gilt: Eros war für die Gesellschafft und Kultur der griechischen Stadtstaaten von elementarer Bedeutung. Franz X. Eder erläutert: „Personifiziert durch den gleichnamigen Gott und Sohn der Göttin Aphrodite, stand „eros“ in den weitgehend agrarischen und oft kriegerischen Gemeinschaften für die Fruchtbarkeit des Bodens, die Fortpflanzung der Tiere und die Reproduktion des „anthropos“ und damit für ein kosmisches Prinzip, welches das Leben beförderte und ihm Zukunft versprach.“ Beim Menschen wirkte „eros“ nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern bezog sich auch auf gleichgeschlechtliche Ziele. Eingebunden in die religiöse und soziale Ordnung sorgte die sexuelle Kraft für Fertilität und Vitalität, trug aber auch zum Gedeihen von Kultur, Philosophie und Literatur bei. Franz X. Eder ist Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien.

Selbst Göttervater Zeus war dem Eros ausgeliefert

Im Griechenland der Antike unterschied man zwischen den „eros“ von der „philia“, der familiären und freundschaftlichen Liebe, und von „agape“, der Nächstenliebe. „Eros“ besaß eine gefährliche, ungestüme, um nicht zu sagen tyrannische Seite und wurde als Naturgewalt verstanden, die den Menschen völlig erfassen und das soziale, politische und religiöse Leben zerstören konnte. Gott Eros und seine Mutter Aphrodite konnten den Menschen mit sexueller Leidenschaft und Liebe erfüllen, bei ihm allerdings auch zu Wahnsinn und Verlust der Selbstkontrolle führen.

Franz X. Eder nennt ein Beispiel: „Selbst Göttervater Zeus war ihnen in der griechischen Mythologie ausgeliefert. Angesichts seiner übermächtigen sexuellen Begierde gab er seiner Gattin Hera aufgrund der zahlreichen „Affären“ mit irdischen Frauen permanent Grund zur Eifersucht.“ Doch auch Hera, die Beschützerin der Ehe, schaffte es im Kampf um Troja, ihn mittels List und Aphrodites Hilfe zu verführen und so über ihn zu triumphieren. Nach der Mythologie hatte „eros“ auch meist seine Hände im Spiel, wenn sich die Götter in die Haare gerieten oder gar in Sterbliche verliebten und sich dann mit ihnen „körperlich“ vergnügten.

Dionysos stand für Ekstase und Wahnsinn

Es verwundert laut Franz X. Eder also nicht, dass die griechischen Gemeinwesen versuchten, „eros“ durch Gesetze, Normen und Institutionen zu bändigen, durch Riten und Kulte zu zivilisieren und in eine produktive Richtung zu lenken. Im Phalluskult huldigte man im antiken Griechenland nicht nur der Fruchtbarkeit, sondern vielmehr noch der ambivalenten Potenz des männlichen Genitals – Dionysos stand nicht umsonst auch für Ekstase und Wahnsinn.

Franz X. Eder stellt fest: „Einerseits galt der Phallus als ein Instrument, mit dem der Mann sein aktive sexuelle Begierde und seine Machtansprüche über andere ausdrückte. Andererseits erinnerten die phallischen Symbole daran, dass das Sexuelle auch unabhängig vom Willen seines Besitzers agieren konnte und ihm womöglich die Kontrolle über sich entzog – ein Schreckensbild, das griechische Männer zutiefst an den Attributen ihrer Männlichkeit zweifeln ließ.“ Quelle: „Eros, Wollust, Sünde“ von Franz X. Eder

Von Hans Klumbies