Der Mensch hat sich selbst ins Joch gespannt

Die Spur der gegenwärtigen Ökokrise führt zurück bis zur neolithischen Revolution: Ackerbau und Viehzucht statt Jagen und Sammeln. Dirk Steffens und Fritz Habekuss stellen fest: „Bis dahin war das Nahrungsangebot von Zufälligkeiten und dem Jagdglück abhängig – von nun an hielten wir unser Schicksal in den eigenen Händen.“ Der Preis für diese relative Versorgungssicherheit war hoch. Der Mensch hat seine Freiheit aufgegeben und sich selbst ins Joch gespannt. Außerdem entwickelte er sich zu einem Materialisten. Schließlich braucht ein Ackerbauer Werkzeuge und Geräte, ein Stück Boden, das zuverlässig von keinem anderen beansprucht wird, eventuell auch Nutztiere. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

Die Gier übernimmt das Kommando

Der Bauer lebt ständig an einem Ort. Deshalb kann er dem Wild nicht folgen und den Feinden nicht ausweichen. Er muss Vorräte anlegen und gegen andere verteidigen. Unvermeidlich waren einige dabei geschickter als andere. Reicher als andere. Neid, Habgier, Geiz und Herrschsucht waren in einer egalitären Jäger- und Sammlergesellschaft ganz sicher keine vorteilhaften Charaktereigenschaften. Jeder konnte nur so viel besitzen, wie sich tragen ließ.

Und das Prinzip des Teilens nach gemeinschaftlicher Jagd war eine überlebensnotwendige Selbstverständlichkeit. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Wer ein Haus, einen Acker und eine Kuh hat, verhält sich anders als ein vorneolithischer Sammler. Denn je mehr er zusammenrafft, desto besser sind die Chancen, seine Familie auch in Notzeiten durchzubringen.“ Sein Fortpflanzungserfolg steigt, die Gene jubilieren. Die Gier übernimmt das Kommando. Expansion, zunächst biologisch, seit der Sesshaftwerdung auch materiell, ist also ein Wesensmerkmal des Homo sapiens.

Der Mensch ist ein manischer Pionier

Das ist ihm tief ins Genom geätzt, ein Erbe aus seiner Frühzeit in Afrika. Von dort aus hat er in mehreren Wellen zunächst Asien und Europa, später auch Amerika und Australien in Besitz genommen. Seitdem muss der Homo sapiens jeden Urwald erkunden, jeden Berg besteigen, jede Wüste durchqueren. Er kann gar nicht anders. Gäbe es noch eine Insel, die noch nie ein Mensch betreten hat, würden sofort Abenteuerlustige dorthin aufbrechen, um die Ersten zu sein.

Dirk Steffens und Fritz Habekuss erklären: „Der Zwang, neue Gebiete zu entdecken und in Besitz zu nehmen, überwältigt uns. Wir sind manische Pioniere und inzwischen sogar auf dem Weg zum Mars, obwohl keiner genau sagen kann, was wir da eigentlich wollen.“ Dieser unbedingte Expansionswille, der Gorillas und Schimpansen fremd ist, hat den Siegeszug des Homo sapiens über den gesamten Globus erst möglich gemacht. Er besiedelt ein Gebiet, plündert es aus, zieht weiter ins nächste und plündert auch das. Quelle: „Über Leben“ von Dirk Steffens und Fritz Habekuss

Von Hans Klumbies