Der Journalismus der Boulevardzeitungen

Boulevardzeitungen wie die BILD, tz, AZ oder der Kölner Expresss, zeichnen sich durch eine schrille Schlagzeile und ein schräges Layout aus. Die Sprache ist klar und einfach, für den Mann von der Straße, in leicht konsumierbare Portionen verpackt. Nicht das Gehirn des Lesers soll angesprochen werden, sondern sein Auge und seine niedrigen Gefühle. Komplizierte Sachverhalte werden vermieden, Losungen und Schlagworte dominieren. Der Boulevard ist die Bühne der Stars und Sternchen, der politischen Skandale sowie der Laufsteg von Sex and Crime. Sensationen und Emotionen marschieren im Gleichschritt. Bis zu 20 Millionen Deutsche lesen täglich eine Boulevardzeitung.

20 Millionen Deutsche lieben den Stakkatostil

Jedem vierten Deutschen macht es scheinbar nichts aus, wenn in Artikeln die Ehre von Menschen in den Schmutz gezogen wird oder Persönlichkeitsrechte verletzt werden, ganz im Gegenteil, sie lieben die Exzesse, die in den Schlagzeilen die Gier des Lesers reizen. Dennoch ist nicht alles an den Boulevardzeitungen zu verdammen. Ihre Redakteure schreiben stets so, dass jeder sie versteht.

Vor allem verwenden sie kurze Sätze im Stakkatostil. Das beste Beispiel dafür ist die BILD, die es wirklich schafft, die Hälfte ihrer Sätze aus vier oder weniger Wörtern zusammenzusetzen. Der Leser der Bildzeitung fühlt sich auch deshalb von ihr so gut verstanden, weil er den Sinn der kurzen Sätze begreift.

Seriöse Zeitungen passen sich immer mehr an den Boulevardstil an

Ein Trend, der immer mehr seriöse Zeitung erfasst, ist die schleichende Anpassung an die Boulevardpresse. Kürzere Texte und reißerischere Überschriften nehmen zu. Auf der anderen Seite verlässt sich der Boulevardjournalismus nicht mehr nur auf Sex and Crime, sondern setzt gelegentlich sogar auf seriöse Berichterstattung, um dem Auflagenschwund entgegenzuwirken.

Wenn sich diese Tendenz in dem angeschlagenen Tempo fortsetzt, wird die Zeitungsauswahl für den Leser sehr eingeschränkt, da er in jedem Blatt doch nur noch denselben Einheitsbrei vorfindet. Die Lage ist aber nicht hoffnungslos, denn wie die Geschichte lehrt, wird sich ein Gegentrend durchsetzen, der die anspruchsvolle Zeitung und das reine Boulevardblatt deutlich voneinander trennt.

Der Unterschied zwischen BILD und Süddeutscher Zeitung

Momentan muss selbst der Leser der renommierten Süddeutschen Zeitung auf der Panoramaseite in die Niederungen der „Neugriechischen Tragödie“ hinabsteigen, wie die Head eines Artikels vom 16.Januar 2006 verkündete. In der Unterzeile heißt es: „Ein Sexvideo, mit dem ein Kulturpolitiker erpresst worden sein soll, bringt Premier Karamanlis in Bedrängnis“. Was Genaues weiß man nicht, wie die beiden unscheinbaren Worte „sein soll“ ausdrücken.

Der erste Satz lautet: „Ein Mann springt aus dem Fenster, aus dem vierten Stock seines Apartments im feinen Athener Viertel Kolonaki.“ Der einzige Unterschied zur Bildzeitung besteht darin, dass die BILD aus diesem Satz drei oder vier Sätze gemacht hätte. Zuviel Kritik hat die Süddeutsche Zeitung allerdings nicht verdient, denn sie komprimiert diesen Nachrichtenstil auf eine Seite, während er sich bei der BILD durchs ganze Blatt zieht.

Von Hans Klumbies