Die Naturwissenschaften bieten Zuverlässigkeit

Trotz aller Unsicherheiten bieten die Naturwissenschaften Zuverlässigkeit. Isaac Newtons Theorie verliert durch die neuen Erkenntnisse Albert Einsteins keineswegs ihren Wert. Theorien haben Geltungsbereiche, die dadurch bestimmt sind, wie präzise Wissenschaftler die Welt beobachten und vermessen. Carlo Rovelli erklärt: „Isaac Newtons Theorie verliert nichts von ihrer Stärke und Zuverlässigkeit, solange sie auf Objekte angewendet wird, die sich deutlich langsamer als Licht bewegen.“ In gewisser Weise wird Newtons Theorie durch Einsteins Erkenntnisse sogar gestärkt, denn nun weiß man zudem genau, in welchem Bereich sie anwendbar ist. Heute kann man sogar so weit gehen zu sagen, das Generieren von Vorhersagen sei der nützliche und zuverlässige Teil einer Theorie. Der Rest ist nur Beiwerk. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

Die Naturwissenschaft ist keine Rechentechnik

Das ist der Weg, den einige moderne Wissenschaftsphilosophen eingeschlagen haben. Vernünftig, aber nach Carlo Rovellis Meinung nicht überzeugend. Wer die Naturwissenschaften auf ihre verifizierenden Vorhersagen reduziert, bekommt ein Problem. Denn diese Sichtweise wird weder der Praxis der Naturwissenschaften noch der Art und Weise gerecht, wie Wissenschaft tatsächlich wächst. Und auch nicht wie Forscher sie tatsächlich gebrauchen und warum sie sich letztlich für Wissenschaft interessieren.

Vorhersagen sind jedoch aus mindestens zwei Gründen sehr wichtig: Sie ermöglichen technische Anwendungen und sind damit ein Schlüsselinstrument, wenn es darum geht, die Plausibilität einer Theorie zu erhöhen. Doch die Naturwissenschaften auf eine Vorhersagetechnik zu reduzieren bedeutet, sie mit ihrer technischen Anwendung zu verwechseln oder ein charakteristisches Werkzeug der Verifikation mit der Wissenschaft selbst zu verwechseln. Die Naturwissenschaften lassen sich nicht auf Rechentechniken reduzieren, auf Operationsprotokolle oder auf hypothetisch-deduktive Methoden.

Es gibt hundert Milliarden Galaxien im Universum

Dies sind rasiermesserscharfe Instrumente und von grundlegender Bedeutung. Sie bieten Garantien, sind Zeichen für Klarheit, um Fehler zu beseitigen, liefern Techniken um falsche Annahmen zu demaskieren. Aber es sind nur Werkzeuge, und was noch wichtiger ist: Es sind nur einige der Werkzeuge, die für wissenschaftliches Arbeiten von Nutzen sind. Sie dienen einer intellektuellen Aktivität, deren Kern ein ganz anderer ist. Zahlen, Techniken und Vorhersagen sind nützlich, wenn es darum geht zu spekulieren, zu testen, zu bestätigen und Entdeckungen zu nutzen.

Carlo Rovelli weiß: „Der Inhalt dieser Entdeckungen ist jedoch nicht technischer Natur. Das Universum dreht sich nicht um die Erde. Alle Materie, die uns umgibt, besteht lediglich aus Protonen, Elektronen und Neutronen.“ Es gibt hundert Milliarden Galaxien im Universum, und jede von ihnen enthält hundert Milliarden Sterne, die der Sonne ähnlich sind. Regenwasser ist Wasser, das vom Festland und aus dem Meer verdunstet ist. Vor 14 Milliarden Jahren war das Universum ein komprimierter Feuerball. Quelle: „Die Geburt der Wissenschaft“ von Carlo Rovelli

Von Hans Klumbies