Burn-out ist zu einem Massenphänomen geworden

Hunderttausende Deutsche erkranken jedes Jahr an ihrer Arbeit. Nicht nur der Körper der Menschen wehrt sich, in zunehmendem Maß erkrankt auch ihre Seele. In der Arbeitswelt greift die Krankheit Burn-out immer mehr um sich – die Merkmale sind Kopfweh, Traurigkeit und Erschöpfung. Der Burn-out entwickelt sich immer mehr zu einer Volkskrankheit in Deutschland. Selbst ein paar Wochen Urlaub richten diese Menschen nicht mehr auf, sie sind einfach ausgebrannt und werden depressiv. Seit Anfang der neunziger Jahre haben die psychischen Erkrankungen der Arbeitnehmer in Deutschland dramatisch zugenommen.

Eine Million Menschen erkranken jedes Jahr in Deutschland an ihrer Seele

Nach Angaben der Krankenkassen haben sich bis heute auf eine Million Fälle pro Jahr verdoppelt. Mediziner vergleichen den psychischen Zusammenbruch gerne mit einem Herzinfarkt. In beiden Fällen kommen das Herz und die Seele mit dem geforderten Arbeitstempo und Belastungen am Arbeitsplatz nicht mehr zurecht. Die psychischen Leiden treten nicht mehr vereinzelt auf, sondern sind zu einem Massenphänomen geworden.

Für den Psychiater Hans-Peter Unger, der als Chefarzt in der Asklepios-Klinik in Hamburg-Harburg arbeitet, gibt es bei einer Erschöpfungsdepression oder dem Burn-out, nicht die eine entscheidende Ursache, die für den Zusammenbruch eines Menschen verantwortlich ist. Es ist immer ein Bündel von Risikofaktoren, die eine psychische Erkrankung wahrscheinlich machen. Dazu zählen beispielsweise ein Chef, der sich wie ein Diktator aufführt, Kollegen, die Intrigen spinnen oder der eigene Hang zum Perfektionismus.

Burn-out ist ein Leiden der Reichen

Jochen von Wahlert, der Ärztliche Direktor der Helios Klinik Bad Grönenbach im Allgäu, beschreibt die Menschen, die wegen Burn-out in seine Klinik kommen: „Die meisten, die zu uns kommen, sind hoch qualifiziert, sicher angestellt und materiell gut versorgt.“ Zu ihnen zählen Banker, Ärzte, Anwälte und Manager. Es sind erfolgreiche Leute, die sich auf einmal die Frage stellen, für was sie sich den ganzen Stress in ihrem Berufsleben angetan haben.

Sie sind von dem entmutigenden Gefühl gefangen, immer schneller zu rennen und sich doch keinem Ziel zu nähern. Viele Menschen die an Burn-out leiden, haben seltsamerweise finanziell längst ausgesorgt – sie besitzen Häuser, Grundstücke und teure Autos. Dennoch wollen sie die Tretmühle des stressigen Arbeitsalltags nicht verlassen, nicht einmal eine Reduktion ihrer Arbeitszeit kommt für sie in Frage. Geld spielt für sie bei der Arbeit keine Rolle mehr.

Alain Ehrenberg: „Das erschöpfte Selbst“

Diese erschöpften Seelen finden nur noch in ihrer Arbeit die Anerkennung, die es für sie im privaten Bereich längst nicht mehr gibt. Jochen von Wahlert erklärt dieses Phänomen: „Die Familie, die Freunde, die Gemeinschaft in der Kirche, all das erhöht den Schutz vor seelischer Erkrankung.“ Der französische Soziologe Alain Ehrenberg hat sich der Burn-out-Erkrankung in seinem Buch „Das erschöpfte Selbst“ wie folgt genähert.

In einer Zeit, in der alles erreichbar und alles umsetzbar scheint, steigen die Anforderungen an das eigene Selbst. Auf der anderen Seite sinkt die Zahl möglicher Entschuldigungen, wenn ein Mensch versagt. Da heute jeder für sich selbst verantwortlich ist, liegt ein Scheitern nur im eigenen Ich begründet. Das Selbst muss die Last des Erfolgszwangs tragen. Nicht jeder schafft das – manche brechen unter der Last psychisch zusammen.

Von Hans Klumbies