Heute werden die Deutschen immer älter und sie wollen auch gut und lange leben. Aber möglichst nicht als sein. Von Siebzig auf Hundert? Das ist die demografischen Herausforderung Deutschlands in der Zukunft. Ein ganzer Forschungszweig droht seinen Gegenstand zu verlieren. Die Altersforschung verwandelt sich zur Langlebigkeitsforschung. Daher wird eine präzise Definition von „Jungbleiben“ und „Älterwerden“, von „Jung“ oder „Alt“ immer schwieriger. Horst Opaschowski stellt fest: „Deutschland wird alterslos.“ Gibt es bald den alten Menschen nicht mehr, weil der Altersbegriff einfach wegdefiniert wird? Die Deutschen werden zwar objektiv immer älter, fühlen sich subjektiv immer jünger, fitter und gesünder. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.
Die Alten gleichen heute einer „Generation Superior“
Die Senioren von morgen neigen im Vergleich zu früheren Generationen deutlich mehr zu Glorifizierungstendenzen. Das zurückliegende Arbeitsleben empfinden sie offenbar als sehr belastend und problematisch. So feiern sie den Ruhestand geradezu als Eintritt in die Welt einer neuen Freiheit. Diese Senioren sind kaum noch „mit dem Herzen“ bei ihrer ehemaligen Arbeit. Die Ruhestandszeit erleben sie als Befreiungszeit, so als ob ein schwerer Druck von ihrer Seele abfällt. Sie müssen nicht mehr nach der Uhr leben.
Die Generation 50plus gleicht beinahe einer „Generation Superior“. Horst Opaschowski erklärt: „Diese Generation kann und will mehr aus ihrem Leben machen. Ansprüche auf eine eigenes Leben werden angemeldet.“ Früher waren Ruheständler schon froh, wenn sie nicht mehr arbeiten brauchten. In Zukunft stellen sie geradezu Forderungen an ihre neue Lebensphase. Früher betonten die Ruheständler mehr die Befreiung vom Arbeitszwang. Heute und in Zukunft begreifen sie ihre neue Lebensphase positiv als Chance und Aufgabe.
Die größte Armut im Alter ist die Kontaktarmut
Die neue Seniorengeneration hat für das bloße Nichtstun keinen langen Atem mehr. Stattdessen heißt es immer öfter: „Carpe diem“ – nutze den Tag! Die Anforderungen des modernen Lebens machen auch dem Ruhestand nicht Halt. Nach aktuellen Forschungsergebnissen (Ipsos/Opaschowski, 2019) haben die Senioren heute mehr Zeit für sich als die übrige Bevölkerung. Zudem leben mehr in Frieden mit ihren Mitmenschen. Sie besitzen mehr Eigentum und können daher finanzieller sorgenfreier leben.
Die Senioren können insgesamt mehr machen, was sie wollen und leben auch umweltbewusster. Dafür haben aber die Älteren nach eigenen Aussagen weniger soziale Kontakte und fühlen sich deutlich weniger gesund. Letzteres ist ein Tribut, den sie für ihre hohe Lebenserwartung zahlen müssen. Die Bilanz ihres Lebens aber kann sich sehen lassen. Ihre „Risikofaktoren“ konzentrieren sich nur auf Gesundheitsrisiken und Kontaktdefizite. Die größte Armut im Alter ist die Kontaktarmut. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski
Von Hans Klumbies