Vier Kulturen lernten von den Griechen und Römern

Im Gegensatz zur ostasiatischen Welt hatten vier große Kulturen Gelegenheit, von den Griechen und Römern zu lernen: die arabische, die lateineuropäische, die byzantinische und die jüdische. Sie machten aber von der Hinterlassenschaft der Antike sehr unterschiedlichen Gebrauch. Bernd Roeck erklärt: „Ähnlich hindernd wie die jüdische Orthodoxie stand die Religion der Aneignung griechischen Geistes ausgerechnet im Byzantinischen Reich, dessen Mutterland, im Weg.“ Während sich die Muslime zusammen mit Juden, Christen und selbst den sterngläubigen Sabiern aus Harran mit Feuereifer ans Übersetzen und Kommentieren machten und der Westen Europas in die Moderne aufbrach, verging das byzantinische Jahrtausend, ohne dass aus dem einstigen Innovationsland zwischen Alexandria und Athen wirklich bedeutende Erfindungen oder wissenschaftliche Durchbrüche zu vermelden gewesen wären. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Die Allianz von Thron und Altar behinderte die Freiheit

Der Fall Byzanz erinnert daran, dass ein intellektuelles Erbe, mag es noch so brillant und anregend sein, jeweils bestimmte Umstände braucht, um Wirkung entfalten zu können. Bernd Roeck erläutert: „Breite Mittelschichten, durch korporative Strukturen gefestigte kommunale Identitäten oder gar eine Autonomie der Art, wie sie europäische Städte errangen, entwickelten sich im östlichen Römerreich nie.“ Zum Nachteil aller geistigen Freiheit herrschte hier eine eiserne Allianz von Thron und Altar.

Den weit stärkeren Part spielte darin gewöhnlich der „apostelgleiche“ Basileus. Gegen seinen Willen konnte niemand zum Patriarchen erhoben werden. Anders als im Westen durften Kleriker keine weltlichen Ämter, Basis politischer Macht, bekleiden. Niemals hat ein byzantinisches Kirchenoberhaupt einen Kaiser gestürzt. Die Krönung des Reichsoberhaupts war ebenso wie im lateinischen Europa ein wichtiger Akt. Während der Kaiser sich, bevor er das Diadem empfing, zum Schutz des Glaubens verpflichtete, leistet ihm der „oberste Priester der Orthodoxie“ im Gegenzug den Treueeid.

Die kaiserlichen Vorrechte standen niemals zur Debatte

Die Auffassung, der Basileus sei allein Verwalter und nicht Herr des Staates, ein bloßer „despotes“, war nur ein Luftgebilde der Kaiserideologie ohne Bezug zur politischen Realität. Nie standen die kaiserlichen Vorrechte grundsätzlich zur Debatte. Die orthodoxe Kirche brachte zwar bedeutende Theologen hervor, über ein geschlossenes theologisches System verfügte sie aber nicht. Wenn der Basileus in Glaubensfragen Stellung bezog, wurde das nicht als Problem empfunden.

Der kurze makedonische Sommer war verglüht, ohne eine „große Renaissance“ zu entzünden. Mehr als eine regionale Ordnungsmacht aber war das Reich nicht mehr. Mit einigen Völkern, so den Petschenegen, wurde Byzanz noch fertig; sie verabschiedeten sich aus der Geschichte. Andere gingen in den werdenden Staaten der Region auf. Die dauernden Abwehrkämpfe an mehreren Fronten überspannten jedoch die Kräfte. Bulgaren und Serben entwanden sich Byzanz in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts, und Ungarns Einfluss auf dem Balkan weitete sich aus. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar