Yuval Noah Harari beschreibt den Weg zur Erfindung des Geldes

Die Jäger und Sammler in der Steinzeit kannten kein Geld. Jede Sippe jagte, sammelte und produzierte fast alles, was zum Leben notwendig war, selbst. Verschiedene Mitglieder der Gruppe könnten Spezialisten auf unterschiedlichsten Gebieten gewesen sein, doch sie teilten ihre Güter und Dienstleistungen in einer Wirtschaft, die auf gegenseitigen Gefälligkeiten und Verpflichtungen aufgebaut war. Die Gruppe war ökonomisch eigenständig und mussten nur wenige seltene Dinge, die es in ihrer Region nicht gab, zum Beispiel Feuersteine, Pigmente und so weiter, von Fremden erwerben. Yuval Noah Hariri nennt ein Beispiel: „Diese Dinge wurden vermutlich getauscht: Du gibst mir Feuerstein, ich gebe Dir Muscheln.“ Auch mit dem Beginn der landwirtschaftlichen Revolution änderte sich an diesem Tauschhandel nur wenig. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Mit dem Aufstieg der Städte vollzog sich ein wirtschaftlicher Wandel

Nach wie vor lebten die Menschen in kleinen Gemeinschaften. Jedes Dorf war nahezu autark und die Wirtschaft funktionierte weiterhin über kleine Gefälligkeiten und Verpflichtungen sowie dem gelegentlichen Tauschhandel mit Fremden. Doch das sollte sich entscheidend ändern. Yuval Noah Harari erklärt: „Mit dem Aufstieg von Städten und Reichen und der Verbesserung der Transportmittel ergaben sich neue Möglichkeiten der Spezialisierung. In Städten konnten nicht nur Schuhmacher und Ärzte von ihrem Handwerk leben, sondern auch Schreiner, Priester, Soldaten und Anwälte.“

Dörfer, die für ein bestimmtes Produkt wie zum Beispiel Wein oder Töpferwaren, in einem größeren Umkreis hohes Ansehen genossen, stellten fest, dass es sich lohne, sich auf diese Ware zu konzentrieren und damit zu handeln, um die übrigen Güter zu erwerben, die es benötigte. Da sich das Klima und die Bodenqualität in verschiedenen Regionen deutlich voneinander unterschieden, war dies eine vernünftige Vorgehensweise. Außerdem konnten dadurch die Handwerker, Ärzte und Anwälte ihre Fähigkeiten weiterentwickeln, wodurch wiederum die Allgemeinheit profitierte.

Der Tauschhandel eignet sich nicht für eine komplexe Wirtschaft

Wenn viele Menschen zusammenarbeiten, funktioniert die Wirtschaft der Gefälligkeiten und Verpflichtungen nicht mehr. Und auch der Tauschhandel läuft nur reibungslos ab, solange die Zahl der Güter übersichtlich bleibt. Als Grundlage für eine komplexe Wirtschaft ist er nicht geeignet. Außerdem kommt es nur dann zu einem Tausch, wenn der Käufer etwas zu bieten hat, was der Verkäufer auch haben will. Einige Gesellschaften haben deshalb versucht, ein zentrales Tauschsystem einzurichten.

Yuval Noah Harari fügt hinzu: „Dort liefern die verschiedenen Spezialisten ab, was sie produziert haben, und nehmen sich mit, was sie brauchen. Das größte und bekannteste Experiment dieser Art wurde in der Sowjetunion durchgeführt, und es scheiterte kläglich.“ Bescheidenere Versuche dieser Art, beispielsweise im Reich der Inkas, waren erfolgreicher. Doch die meisten Gesellschaften fanden eine andere Möglichkeit, eine große Anzahl von Spezialisten miteinander zu verbinden – sie erfanden das Geld.

Von Hans Klumbies