Der Ursprünge des modernen Menschen liegen in Ostafrika

Auf die Frage, wann der erste Homo sapiens das Licht der Welt erblickte, gibt es keine eindeutige Antwort, nur einige Theorien. Die meisten Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass in Ostafrika vor rund 150.000 Jahren die ersten „anatomisch modernen Menschen“ lebten. Die Forscher sind sich außerdem einig, dass der Homo sapiens vor etwa 70.000 Jahren von Ostafrika nach Arabien wanderte und sich von dort aus rasch über weite Teile Europas und Asiens ausbreitete. Als der Homo sapiens nach Arabien kam, lebten in Europa und Asien jedoch schon andere Menschenarten. Yuval Noah Harari stellt sich die Frage, was mit denen passiert ist. Dazu gibt es zwei widerstreitende Theorien. Yuval Noah Harari erklärt: „Die Vermischungshypothese erzählt eine pikante Geschichte von gegenseitiger Anziehung, Vermischung und Sex.“ Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Schon die Neandertaler benutzten Werkzeuge und Feuer

Die zweite Theorie, die Verdrängungshypothese zeichnet ein ganz anderes Bild von Unverträglichkeit, gegenseitiger Ablehnung und möglicherweise sogar Völkermord. Nach dieser Hypothese verschwanden die älteren Menschenarten, ohne genetische Spuren im modernen Menschen zu hinterlassen. Yuval Noah Harari fügt hinzu: „Wenn die Verdrängungshypothese stimmt, haben alle Menschen mehr oder weniger dasselbe genetische Material und die Unterschiede zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppierungen sind vernachlässigbar.“

Ein entscheidender Zankapfel bei der Auseinandersetzung um die richtige Hypothese ist der Neandertaler. Diese Menschen waren größer, muskulöser und besser an die Lebensbedingungen in kalten Klimazonen angepasst als der moderne Mensch. Außerdem hatten sie ein mindestens ebenso großes Gehirn. Yuval Noah Harari erläutert: „Sie benutzten Werkzeuge und Feuer, waren ausgezeichnete Jäger, und es gibt Hinweise, dass sie ihre Toten bestatteten und sich um Kranke und Schwache kümmerten.“

Vier Prozent aller Gene der modernen Menschen in Europa stammen von Neandertalern

Als jedoch der Homo sapiens in ihren Lebensraum vorstieß, wichen die Neandertaler zurück und verschwanden schließlich ganz. Die letzten Neandertaler lebten vor rund 30.000 Jahren in Südspanien. In den vergangenen Jahrzehnten wurde laut Yuval Noah Harari die Forschung von der Verdrängungshypothese beherrscht. Das änderte sich jedoch im Jahr 2010, als nach vierjähriger Arbeit Teile des Genoms der Neandertaler entschlüsselt worden waren. Genforscher hatten herausgefunden, dass vier Prozent aller Gene der modernen Menschen in Europa und dem Nahen Osten von Neandertalern stammen.

Yuval Noah Harari hält es durchaus für möglich, dass die Neandertaler ausstarben, weil sie der Konkurrenz des Homo sapiens nicht gewachsen waren. Dank ihrer überlegenen Technologie und Sozialkompetenz sind die Sapiens bessere Jäger und Sammler als die Neandertaler und vermehren sich rasch. Die weniger geschickten Neandertaler finden dagegen immer weniger Nahrung, ihre Population wird stetig kleiner und stirbt irgendwann aus. Es ist für Yuval Noah Harari allerdings auch durchaus denkbar, dass der Konkurrenzkampf in Gewalt und Blutvergießen ausartete.

Von Hans Klumbies