Für Yasmina Reza ist das Schreiben kein intellektueller Akt

Die französische Dramatikerin Yasmina Reza hat einmal die Zeit als ihren Intimfeind bezeichnet. Denn sie hatte immer schon das Gefühl, dass es eilt, dass ihr Leben kurz ist. Schon als Kind. Erst als Erwachsene hat sie verstanden, dass nicht alle so denken: „Die meisten Menschen, denen man begegnet, haben viel Zeit. Ihnen steht nicht ständig vor Augen, dass es morgen schon vorbei sein kann.“ Gelegentlich tritt Yasmina Reza noch als Schauspielerin auf. Kritiker sind dabei immer wieder überrascht, wie körperlich ihr Spiel ist. Sie stellen es sich intellektueller, weniger sinnlich vor. Yasmina Reza war zunächst Schauspielerin, bevor sie Dramatikerin wurde. Gleich ihre ersten beiden Stücke erhielten den wichtigsten französischen Theaterpreis „Molière“. Ihr Stück „Gott des Gemetzels“ wurde 2011 von Roman Polanski verfilmt. Diese Woche erscheint ihr Buch „Anne-Marie die Schönheit“.

Die Dialoge in den Romanen und Stücken von Yasmina Reza sind extrem kurz

Auf die Bühne spielt Yasmina Reza mit ihrem Körper, nicht mit dem Kopf. Dabei besteht für sie kein Unterschied zum Schreiben. Für sie ist auch das Schreiben kein intellektueller Akt. Sie schreibt mit demselben Körperinstinkt, mit dem sie spielt. Das ist für sie ein und dasselbe. Es sind ihre Körperempfindungen, die das Schreiben lenken, nicht so sehr der Intellekt: „Ich habe ja gar nichts zu sagen, überhaupt nichts.“ Deshalb fassen sich die Figuren in ihren Romanen und Stücken in Dialogen kurz.

Je kürzer die Dialoge sind, desto besser, manchmal reicht ein Wort. Wann auch immer Yasmina Reza ein Wort kürzen kann, tut sie es. Die Namen ihrer Figuren klingen immer wahnsinnig echt. Das ist, was ihr am Schreiben am meisten Spaß macht: die passenden Namen zu finden. Sie sucht ewig nach ihnen, sie müssen absolut stimmen. Ein guter Name verrät so viel. Sogar über das Äußere. Sie findet, man kann sich viel besser vorstellen, wie jemand aussieht, wenn man einen Namen hört, als wenn man die Haarfarbe erfährt.

Yasmina Reza kann keinen Sinn im Dasein erkennen

In den Werken von Yasmina Reza geraten die Menschen wegen Nichtigkeiten aneinander, liegen die Nerven blank wegen eines Bio-Huhns oder weil jemand Morbier kauft statt Schweizer Käse. Yasmina Reza erläutert: „Aber so ist es doch im Leben. Wie selten ist es, dass man sich für wirklich bedeutende Dinge in die Haare kriegt. Kleinere Konflikte sind spannend, weil unter ihnen immer etwas anderes liegt.“ Was sie auch interessiert, ist das Studium des menschlichen Verhaltens im Hinblick auf seinen impulsiven Charakter, seinen Mangel an Nervenstabilität.

Für Yasmina Reza gehören im Leben Komödie und Tragödie untrennbar zusammen. Alles, was sie schreibt, bezeugt das. Sie hat Probleme mit Menschen, die alles fürchterlich ernst und schwer nehmen. Wenn man sich bewusst darüber ist, dass jeder Mensch sterben wird, ist es doch offensichtlich, dass alle Anstrengungen in Wahrheit völlig unwichtig und lächerlich sind. Es gibt dadurch in allem einen unübersehbar lachhaften Aspekt. Die passende Bezeichnung für das menschliche Dasein scheint für Yasmina Reza die Absurdität zu sein. Sie kann keinen Sinn im Dasein erkennen, es erscheint ihr absurd. Quelle: Süddeutsche Zeitung

Von Hans Klumbies