Der Staat des Neoliberalismus muss ein starker Staat sein

Für den deutschen Liberalismus ist es charakteristisch, den Markt immer aus kulturgeschichtlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive zu betrachten. Wolfgang Kersting erklärt: „Daher ist seine Analyse der Entwicklung des Kapitalismus und seiner Krisen immer eingebettet in großformatige geistesgeschichtliche Deutungen und umfassende zeitgeschichtliche Analysen.“ Die Gegenwart färbt dabei in den meisten Fällen den Blick auf die Vergangenheit: gegenwartsdiagnostische Interessen und zeitgeschichtliche Wertungen prägen die Darstellungen. Laut Wolfgang Kersting sind die Modernisierungstheorien durchwegs monokausale Krisentheorien der Moderne. Modernisierung ist für den deutschen Neoliberalismus stets Zerfall, Entartung, Zersetzung, Niedergang und Verlust. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

Einfache Lösungen sind die Wege des Sozialismus und des ökonomischen Liberalismus

Für Wolfgang Kersting besteht kein Zweifel daran, dass die Moderne keine einfachen Lösungen erlaubt. Denn sie haben allesamt zu den Pathologien des 20. Jahrhunderts geführt: zu Totalitarismus, Faschismus und kollektiver Zwangswirtschaft. Die einfachen Lösungen sind seiner Meinung nach die Wege des Sozialismus und des ökonomischen Liberalismus. Beide sind nicht länger begehbar. Wolfgang Kersting erläutert: „Was an die Stelle des Wirtschaftsliberalismus treten muss, ist eben ein Neoliberalismus, der von der These ausgeht, dass das marktwirtschaftliche System der freien Preise einen steten staatlichen Pflege bedarf.“

Der Staat darf laut Wolfgang Kersting die Wirtschaft nie allein lassen. Er darf sich nie nur darauf beschränken, den Schlaf der Bürger zu beschützen. Wolfgang Kersting schreibt: „Nicht Nachtwächter ist er, sondern Regelsetzer und Spielleiter.“ Der Staat des Neoliberalismus muss ein starker Staat sein. Dieser konzentriert sich auf die ordnungspolitische Aufgabe, verhält sich neutral zu allen gesellschaftlichen Kräften und organisiert parteipolitische Interessen. Er ist ausschließlich daran interessiert, dass die, von ihm vorgegebenen, Spielregeln eingehalten werden.

Die soziale Marktwirtschaft tritt für ein menschliches Wirtschaftssystem ein

Wirtschaftspolitik ist für Wolfgang Kerstin vor allem die Sicherung des Wettbewerbs durch die Bekämpfung von Monopolen und den Verzicht auf Subventionen. Dabei muss der Preismechanismus immer intakt bleiben und sich die Präferenzen der Konsument immer frei von jeder politischen Manipulation artikulieren können. Für Wilhelm Röpke hat eine echte und freie Marktwirtschaft in der Gegenwart nur noch dann Aussicht auf Verwirklichung, wenn sie mit Reformen verbunden wir, die der Proletarisierung, Vermassung, Mechanisierung und Devitalisierung der Kultur wirksam entgegenarbeiten.  

Die soziale Marktwirtschaft, die sich um einen dritten, menschendienlichen Weg bemüht, ist laut Wilhelm Röpke vor allem Eintreten für etwas, was man die natürliche Ordnung nennen kann, das heißt für die Schaffung von Formen der Existenz und Produktion, die der Natur des Menschen gemäßer sind als diejenigen der heutigen Welt der Industrie und Großstadtwelt und ihn zugleich der ihm fremd gewordenen Natur näherbringt. Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als um einen Protest gegen die Unnatur des gesamten menschlichen Lebens.

Von Hans Klumbies