Walter Mischel entwickelt den weltberühmten Marshmallow-Test

Der Marshmallow-Test, der von Walter Mischel entwickelt wurde, und die vielen Studien in den Jahren danach haben gezeigt, dass die Fähigkeit zur Selbstkontrolle im frühen Kindesalter einen enormen Einfluss hat auf das weitere Leben hat und dass diese Fähigkeit bei Kleinkindern zumindest grob mit einem einfachen Test gemessen werden kann. Für den Marshmallow-Test hat Walter Mischel deshalb Vorschulkinder ausgewählt, weil er an seinen eigenen Kindern beobachtete, dass sie offenbar in dem Alter beginnen, eine Alternative zu verstehen: Sie begreifen, dass ihnen eine größere Belohnung entgeht, wenn sie sich entschließen, die kleinere sofort aufzuessen. Außerdem werden in diesem Alter auch wichtige individuelle Unterschiede hinsichtlich dieser Fähigkeit sichtbar. Das Forscherteam rund um Walter Mischel war davon überzeugt, dass der direkteste Weg, um ein Kleinkind dazu zu bringen, sich die erwarteten Belohnungen vorzustellen, darin besteht, sie während des Wartens direkt vor seinen Augen zu platzieren. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

Erfolgreiche Kinder lenken sich fantasievoll ab

Walter Mischel beobachtete die Kinder unbemerkt und ein Spiegelfenster, während sie sich bemühten, vor den offen sichtbaren Belohnungen zu warten. Einige hielten sich ihre Hände vor die Augen, andere stützten den Kopf auf die Arme und starrten zur Seite, oder sie wandten den Kopf nach hinten, um sich den Anblick der Belohnungen zu ersparen. Während die Kinder die meiste Zeit über verzweifelt versuchten, den Blick abzuwenden, schauten einige hin und wieder flüchtig auf die Leckereien, um sicherzugehen, dass sie noch da waren und sich das Warten noch lohnte.

Walter Mischel gewann durch seinen Marshmallow-Test folgende Erkenntnis: „Erfolgreiche Belohnungsaufschieber dachten sich alle möglichen Kniffe aus, um sich abzulenken und den Konflikt und Stress, den sie erlebten, abzukühlen. Sie verwandelten die zutiefst unangenehme Situation des Wartens, indem sie sich auf fantasievolle, lustige Art zerstreuten und so ihre Willenskraft nicht unentwegt anspannen mussten.“ Sie dachten sich zum Beispiel kleine Lieder aus oder erfanden Spiele mit Händen und Füßen.

Jeder Stimulus hat zwei Aspekte

Vor über fünf Jahrzehnten unterschied der kanadische Kognitionspsychologe Daniel Berlyne zwischen zwei Aspekten eines jeden Stimulus: „So hat ein verlockender, appetitiver (also angenehmer) Reiz eine erregende, motivierende Qualität: Er weckt in uns den Wunsch, das Marshmallow zu essen, und dabei empfinden wir ein Lustgefühl.“ Andererseits liefert er auch beschreibende Hinweise, die etwas über seine nichtemotionalen, kognitiven Merkmale sagen: Er ist rund, weiß, dick, weich und essbar. Die Wirkung, die ein Reiz auf einen Menschen hat, hängt also davon ab, wie er ihn mental repräsentiert.

Eine anregende Repräsentation konzentriert sich auf die motivierenden, heißen Eigenschaften des Reizes. Dieser heiße Fokus löst unwillkürlich die impulsive Reaktion aus, das Marshmallow zu essen. Eine kühle Repräsentation konzentriert sich eher auf die abstrakten, kognitiven, faktischen Aspekte des Reizes und sagt dem Menschen, wie der Marshmallow beschaffen ist, ohne ihn verlockender zu machen. Sie erlaubt, kühl darüber nachzudenken, statt nur danach zu greifen. Walter Mischel beschreibt ein weiteres Ergebnis seines Marshmallow-Tests: „Wenn sich die Kinder auf die kühlen Merkmale ihrer Belohnungen konzentrieren sollten, warteten sie doppelt so lange, wie wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf die heißen Merkmale lenkten. Quelle: „Der Marshmallow Test“ von Walter Mischel

Von Hans Klumbies