Walter Mischel erforscht Belohnungsaufschub und Selbstkontrolle

Walter Mischel entwickelte in den Sechzigerjahren ein Modell der neuralen und psychischen Prozesse, die ablaufen, wenn sich Vorschulkinder und Erwachsene erfolgreich bemühen, Verlockungen zu widerstehen. Seine Experimente zeigten, dass sich einige Menschen schon in jungen Jahren besser beherrschen als andere, aber fast alle können sich mit gewissen Strategien die Selbstkontrolle erleichtern. Walter Mischel fand heraus, dass die ersten Anflüge von Selbstkontrolle bereits im Verhalten von Kleinkindern unter drei Jahren sichtbar sind. Fast jeder kennt die Tatsache nur allzu gut, wenn man nicht auf einer längerfristige Belohnung wartet, sondern stattdessen lieber einer kurzfristigen Befriedigung nachgeht. Das lässt sich sehr gut bei Kindern beobachten, aber auch bei vielen Erwachsenen. Walter Mischel, geboren 1930 in Wien, gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

Walter Mischel entwickelt den berühmten Marshmallow-Test

Jedes Mal, wenn von den guten Vorsätzen zu Jahresbeginn noch vor Ende Januar nichts mehr übrig ist, erkennen die Menschen, wie ihre Willenskraft versagt. Ungeachtet der theoretischen Debatten darüber, ob es so etwas wie Willensstärke überhaupt gibt, wird sie von manchen Menschen kurzerhand praktiziert und eifrig geübt. Einen großen Teil seines Forscherlebens verbrachte Walter Mischel damit, herauszufinden, wie es Menschen gelingt, zu warten und Verlockungen zu widerstehen, wenn sie beschlossen haben, eine Belohnung aufzuschieben. Der sogenannte Marshmallow-Test wurde zum Werkzeug, mit dem er und sein Team diese wichtige Frage erforschte.

Dabei geht Walter Mischel weit in der Geschichte zurück: „Von der Antike über die Aufklärung bis hin zu Sigmund Freud und in die Gegenwart hinein galten kleine Kinder als impulsive, hilflose Wesen, unfähig zum Belohnungsaufschub und immer nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung strebend.“ Als Walter Mischel allerdings seine eigenen Kinder näher beobachtete, wurde ihm klar, dass er keinen blassen Schimmer davon hatte, welche inneren, psychischen Prozesse sie dazu befähigen, sich – jedenfalls die meiste Zeit – im Griff zu haben und Angesichts von Verlockungen die Befriedigung aufzuschieben, selbst wenn sich niemand in ihrer Nähe aufhielt.

Belohnungsaufschub ist mit späterem Erfolg im Leben verbunden

Mit Hilfe des Marshmallow-Tests wollte Walter Mischel das Phänomen der Willensstärke besser verstehen lernen und vor allem die Fähigkeit, sofortige Belohnung zugunsten zukünftiger Vorteile aufzuschieben. Frühere Forschungen von Walter Mischel in der Karibik hatten gezeigt, dass die Bereitschaft zum Belohnungsaufschub wesentlich von dem Faktor Vertrauen beeinflusst wird: „Damit es zwischen dem Kind und dem Versuchsleiter zu einem Vertrauensverhältnis kam, spielten sie erst einmal solange miteinander, bis sich das Kind wohlfühlte.

Einige Jahre nach dem Beginn der Marshmallow-Experimente kam Walter Mischel erstmals der Gedanke, dass ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kinder in seinen Experimenten und ihrem späteren Leistungsvermögen und Erfolg im Leben bestehen könnte. Durch eine Anschlussstudie fand Walter Mischel heraus, dass Vorschulkinder, die beim Marshmallow-Test länger auf die Belohnung warteten, Jahre später als Jugendliche folgendermaßen beurteilt wurden: „Sie zeigten mehr Selbstkontrolle in frustrierenden Situationen, sie waren nicht so anfällig für Verlockungen, sie ließen sich weniger leicht ablenken, wenn sie sich zu konzentrieren versuchten; sie waren intelligenter, selbstbewusster und zuversichtlicher, und sie vertrauten ihrem Urteilsvermögen.“ Quelle: „Der Marshmallow-Test“ von Walter Mischel

Von Hans Klumbies