Der Versuch, die Zukunft vorherzusagen, hilft Menschen gefühlsmäßig, deren Ungewissheiten zu kontrollieren, ihre Erwartungen zu steuern und wichtige Entscheidungen zu treffen. Kit Yates erklärt: „Vorhersagen zu treffen, selbst wenn es keinerlei verlässliche Anhaltspunkte gibt, ist ein natürliches menschliches Bedürfnis – ein Bauchgefühl, ein Instinkt. Seit Jahrtausenden benutzen wir zu diesem Zweck eine Vielzahl bizarre und unwissenschaftlicher Methoden, von denen offensichtlich keine zuverlässiger ist als die andere.“ In der Regel sahen unsere Vorfahren in ihren verschiedenen Wahrsagemethoden eine Möglichkeit, den Willen ihres Gottes oder ihrer Götter zu deuten. Bereits seit dem 10. Jahrhundert v. Chr. benutzten die alten Chinesen eine Wahrsageschrift, das „I Ging – Das Buch der Wandlungen“, um mit dessen Hilfe die „göttliche Wahrheit“ zu enthüllen. Kit Yates lehr an der Fakultät für mathematische Wissenschaften und is Co-Direktor des Zentrums für mathematische Biologie der University of Bath.
Das Generieren von unvorhersehbaren Mustern bringt den Zufall ins Spiel
Das Auslosen, sei es durch Würfeln, Münzwurf oder Ziehen von Strohhalmen, ist auch Teil der jüdisch-christlichen Tradition. Kit Yates ergänzt: „Eine andere Möglichkeit, den Zufall ins Spiel zu bringen, der nötig ist, um den „Unbegreifliche göttliche Fügung“-Faktor zu erzeugen, ist das Generieren von unvorhersehbaren Mustern.“ „Tasseografie“ – das Lesen von Teeblättern – ist eine klassische Methode der Wahrsagerei, bei der eine Tasse ungefilterten Tees bis zur Neige ausgetrunken wird.
Die Teeblätter, die sich an den Seiten und am Boden der Tasse absetzen, bilden ein Muster, das mithilfe einer lebhaften Fantasie von der Wahrsagerin gedeutet werden kann. Zu älteren Versionen einer älteren Praxis gehört die Deutung von Spritzern und Lachen beim Wachsgießen oder beim Bleigießen. Kit Yates fügt hinzu: „Während der Gebrauch von Würfeln zu Wahrsagen ihrem Gebrauch als Generator von Zufallszahlen für Glücksspiele vorausging, war es beim Kartenspiel genau andersherum.“
Der Zufall steht im Zentrum vieler hellseherischer Praktiken
Wahrscheinlich stammt das Kartenspiel ursprünglich aus der chinesischen Tang-Dynastie des 9. Jahrhunderts. Kit Yates erläutert: „Aber erst als es im 14. Jahrhundert nach Westen gelangte, gewann das Kartenlegen – also das Wahrsagen mithilfe von Kartendecks – an Popularität. Zwar sind Tarot-Karten inzwischen eine weitverbreitete Methode, um in die Zukunft zu sehen, doch ihre okkulten Konnotationen und damit die Popularität in der Wahrsagerei stammen aus dem 18. Jahrhundert.“
Der Zufall steht auch im Zentrum vieler alter und moderner hellseherischer Praktiken, wobei sein in die Irre führender Effekt mit einer Reihe von Techniken ausgenutzt oder neutralisiert wird. Kit Yates weiß: „Der Zufall ist für die Wahrsagerin wie ein leeres Blatt, auf dem sie diejenige Geschichte entwickeln kann, die am besten geeignet scheint, ihr Gegenüber von ihren hellseherischen Kräften zu überzeugen. Dieser Zufall liefert die nötige Ablenkung lässt das Gegenüber annehmen, die Botschaft sei überbracht worden.“ Quelle: „Wie man vorhersieht, womit keiner rechnet“ von Kit Yates
Von Hans Klumbies