Woher kommt das Neue? Ein innovativer Stil setzt sich meistens dann durch, wenn ihn kreative Künstler wollen und die neuen Ausdrucksformen den Geschmack der Auftraggeber treffen. Dabei gibt es ein Muster: moderne Bilder des Menschen werden von modern denkenden und noch moderner wirtschaftenden Menschen bestellt. Volker Reinhardt schränkt ein: „Doch diese Regel gilt nicht immer, zumindest nicht, was die Auftraggeber betrifft.“ Doch zwischen den Auftraggebern, die den alten und den neuen Stil bevorzugten, lassen sich weder soziale noch wirtschaftliche oder politische Unterschiede feststellen. Nicht selten waren die Liebhaber der modernen Kunst im täglichen Leben konservativer als ihre Konkurrenten, die bei der Ausschmückung ihrer Paläste und Kapellen das Bewährte bevorzugten. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.
Die Pest verursachte Hungersnöte
Auch die Zeitläufe trugen nicht dazu bei, den Boden für ein optimistischeres Menschenbild zu bereiten. Die Pest, die Italien 1348 erstmals verheert hatte, kehrte in Abständen von fünfzehn bis zwanzig Jahren zurück. Meistens waren damit Hungersnöte verbunden. Dazu kam es zu zermürbenden Kriegen, gepaart mit den Plünderungen der Söldnerkompanien. All dies macht das Leben beschwerlich und gefährlich. Von den Kanzeln der Kirchen konnte man hören, dass die Welt altere und ihrem Ende entgegengehe.
Donatellos Statuen zeigen aber nicht, wie so viele Fresken der Zeit, die Misere, sondern die Herrlichkeit des Menschen. Das gilt auch für seinen acht Jahre nach dem David fertiggestellten heiligen Georg. Volker Reinhard erklärt: „Veranschaulichte der David das Ungestüm der Jugend, so verkörpert der Ritter mit dem Schild die gesammelte Kraft und überlegene Reife der frühen Mannesjahre: virtù in einem höheren Entwicklungsstadium.“ Im Gegensatz zum David steht er nicht schräg, sondern breitbeinig, den kommenden Ereignissen zugewandt.
Donatello schuf einen zweiten David
Was beim Hirtenknaben noch in der Erprobung ist, zeigt sich hier als gesicherter Besitz. Nämlich eine souveräne Selbstbeherrschung, die sich jeder Situation gewachsen weiß. Drei Jahrzehnte nach dem Auftrag für den Florentiner Dom schuf Donatello seinen zweiten David. Außer dem biblischen Thema hatte sich alles geändert. Die neue Statue war aus Bronze und fiel mit 146,5 Zentimeter deutlich kleiner aus. Geschaffen wurde sie für Cosimo de` Medici, den reichen Bankier, der in Florenz seit 1434 hinter republikanischen Kulissen die politischen Fäden zog.
Man stellte sie zunächst im großen Salon des alten Medici-Stadthauses aus, den Fresken berühmter Männer schmückten. Volker Reinhardt weiß: „Doch wirklich zur Geltung kam der neue David erst ab 1459 im Innenhof des neuen Familienpalastes der Medici, der mit seinen Dimensionen sogar dem Sitz der Stadtregierung Konkurrenz machte.“ Ob die Statue so, wie Donatello sie schuf, den Wünschen des Auftraggebers entsprach, muss offenbleiben. Jedenfalls wies man sie nicht zurück oder beraubte sie ihrer vorgesehenen Funktion. Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Reinhardt
Von Hans Klumbies