Italien ist für viele der Inbegriff der Zivilisation

Die Kultur Italiens wurde ebenso stark von außen geprägt wie durch seine innere Vielfalt. In seinem Buch „Die Macht der Schönheit“ zeigt Volker Reinhardt wie sich seit dem 11. Jahrhundert aus all diesen Faktoren die italienische Kultur entwickeln konnte. Zu den äußeren Einflüssen zählt der Historiker beispielsweise das Erbe der Antike, arabische Vorbilder auf Sizilien, byzantinische Prägungen in Venedig. Die italienische Kultur ist aus Krisen und Katastrophen erwachsen. Dennoch gehört zu ihrer DNA eine optimistische Lebenskraft. Diese Lebensfreude spricht jeden an und entwickelt dabei eine bezaubernde Wirkung. Für die italienischen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts war Italien der Inbegriff der Zivilisation, die Prometheus-Nation schlechthin. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Mythen prägen das „Wesen“ Italiens

Der erste Gipfelpunkt der nationalen Geschichte wurde in der Antike erreicht. Darüber herrscht im kollektiven Geschichtsbild Italiens heute Einigkeit. Der erste Absturz erfolgte dann durch die Auflösung des Imperiums und die Einwanderung der „barbarischen“ Goten und Langobarden. Diese Talsohle war durchschritten, als sich im 11. Jahrhundert „nationale“ Kleinkönigtümer bildeten und die Kommunen, sie selbstständigen Stadtrepubliken, mächtig und selbstbewusst wurden.

Alle Versuche, das „Wesen“ Italiens zu bestimmen sind laut Volker Reinhardt von Mythen geprägt: „Das ist nur logisch, denn ohne Mythen gäbe es bis heute keine Nationen.“ Die Nation Italien als Abstammungsgemeinschaft mit unverwechselbaren Eigenschaften erfanden die italienischen Humanisten seit dem 14. Jahrhundert. Eine wichtige Rolle spielte dabei Francesco Petrarca. Sie gingen dabei vom emotionalen Schlüsselbergriff der „patria“, des Vaterlandes und der Liebe zu ihm, aus.

Im 11. Jahrhundert entsteht etwas Unverwechselbares

Neben der Kultur der sogenannten feinen Leute, gab es in Italien oftmals eine Kultur der kleinen Leute, vor allem auf dem Land. Das wussten schon die Kapuziner und Jesuiten des 16. und 17. Jahrhunderts. Zu dieser Kultur des Volkes gehörte immer auch eine „moralische Ökonomie“. Sie schrieb vor, dass das ungefährdete Überleben der Armen Vorrang vor dem Gewinnstreben der Reichen hatte. Zu dieser Kultur des Volkes gesellte sich eine Kultur des Protests, des Widerstands und des Aufstands, die sich in wirtschaftlichen und politischen Krisensituationen entfaltenden.

Für Volker Reinhardt bietet sich an, den Weg durch die Kultur Italiens um die Mitte des 11. Jahrhunderts zu beginnen. Denn damals begann aus der Vermischung so vieler unterschiedlicher Einflüsse etwas Eigenes und Unverwechselbares hervorzugehen. Die damit verbundene Vielfalt lässt sich laut Volker Reinhardt am besten einfangen, wenn sich das Augenmerk auf einzelne Bilder und Bauwerke, Lebensgeschichten und herausragende Ereignisse, Entdeckungen, Erfindungen, Mythen und Mentalitäten richtet. Denn an diesen lassen sich exemplarisch allgemeine Entwicklungen aufzeigen.

Die Macht der Schönheit
Kulturgeschichte Italiens
Volker Reinhardt
Verlag: C. H. Beck
Gebundene Ausgabe: 651 Seiten, 3. Auflage: 2020
ISBN: 978-3-406-74105-0, 38,00 Euro

Von Hans Klumbies

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