Den Menschen zeichnet ein Selbstinteresse aus

Der Mensch hat gleich mehrere Formeln zu seiner Selbstbeschreibung in Umlauf gebracht. Das kann man als Folge der Vielfalt seiner Fähigkeiten und Merkmale ansehen. Volker Gerhardt stellt fest: „Es ist gewiss aber auch Ausdruck seines vermutlich schon vor der klassischen Antike auf sich selbst gerichteten Interesses.“ Die Begriffe sind wie Spiegel, in denen der Mensch sich seiner Wirkung auf sich selbst zu versichern sucht. In den aus älteren Zeiten überlieferten Texten macht das Selbstinteresse den Umweg über die Widergabe von Geschichten. In denen haben sich Menschen zu bewähren. Es geht um Kämpfe mit Ungeheuern und todbringenden Feinden sowie um Berichte über Triumphe und Niederlagen. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

Die Selbsterkenntnis ist der Anfang allen Wissens

Die Götter spielen in der Schilderung dieser Geschehnisse stets eine Rolle. Deshalb vermutet Volker Gerhardt in dem, was über sie gesagt wirde, auch indirekte Aussagen über den Menschen. Das früheste erhaltene Epos dieser Art ist das „Gilgamesch-Epos“. Es beschreibt den Menschen als Wesen zwischen Tier und Gott. Schon seit frühesten Zeiten suchten die Menschen nach Selbstvertrauen und dem Vertrauen auf Gott. Sie verlangen nach Erkenntnis, das ihnen Vertrauen in sich selbst und damit Zuversicht und Hoffnung auch in ihrem alltäglichen Handeln gibt.

Volker Gerhard erläutert: „Dieses Verlangen kann man als Suche nach dem Sinn des Sinns bezeichnen, nach dem Grund von dem, was überhaupt Bedeutung für uns hat.“ Dass sich die Menschen selbst, als dieses Ich und als Individuum, dabei zum Ausgangspunkt machen, versteht sich für viele heute nicht mehr von selbst. Bei Sokrates war es noch so: Die Selbsterkenntnis ist für ihn der Anfang und das Ziel allen Wissens und eines jeden um Gründe bemühten Tuns.

Weisheit und Wissen bezeichnen den homo sapiens

Man hat die Selbsterkenntnis zwar niemals in zureichender Weise. Aber man sucht sie, um sagen zu können, wer man ist, was man kann und was man sich zutrauen kann. Die Selbsterkenntnis ist ein Gebot, das schon vor jeder Normbegründung deutlich macht, dass sich der Mensch unter Ansprüche stellt. Dabei erhebt er sich zu einer Instanz, die ihm und seinesgleichen eigene Gründe abverlangt. So erklärt sich auch das Interesse an der Humanität, das mit dem an der philosophischen Anthropologie nicht zusammenfällt.

Es könnte nur befremden, wenn der Mensch sein Verlangen entweder nur auf das Wissen oder nur auf den Glauben beziehen würde. Die theoretische Versicherung, die er sucht, hat nicht nur einen praktischen Ursprung. Sie muss auch praktische Folgen haben können, wenn sie ernst genommen werden soll. Also liegen Weisheit und Wissen, die den homo sapiens bezeichnen, und das praktische Gelingen, auf das es dem homo faber ankommt, nahe beieinander. Quelle: „Humanität“ von Volker Gerhardt

Von Hans Klumbies

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