Cicero prägt den Begriff der „Humanität“

Nicht erst Johann Gottfried Herder hat den Begriff der „Humanität“ zu einem Zentralbegriff der menschlichen Bildung und des Weltverständnisses gemacht. Erasmus geht ihm voran und lässt keinen Zweifel daran, dass er in Cicero den historischen Urheber und geistigen Vater anerkennt. Volker Gerhardt fügt hinzu: „Dass Cicero bereits in der Vielfalt des Begriffsgebrauchs den Anfang macht, blieb stets unbestritten. Fraglich war eine Weile, ob nicht der Stoiker Panaitios, auf den Cicero selbst verweist, den Anfang macht.“ Zweifel gab und gibt es noch, ob Cicero wirklich schon dem weiten Impuls der Menschlichkeit verpflichtet war. Oder ob er nicht eher nur der römischen Adelsethik ein neues Etikett gegeben hat. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

Immanuel Kant entwirft den kategorischen Imperativ

Immanuel Kant veröffentlicht 1785 seine vom Geist des Humanismus durchdrungene „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“. Hier findet sich die Formulierung des kategorischen Imperativs. Sie lautet: „Handle so, dass due die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Mit dem kategorischen Imperativ scheint Immanuel Kant im äußersten Gegensatz zum Kalkül technischer und pragmatischer Berechnung zu gehen.

Immanuel Kant erklärt den einzelnen Menschen als Person sowie alle Menschen unter dem Titel der Menschheit zum dominierenden Zweck des Handelns. Die Sonderstellung der Moral ist damit auf eindrückliche Weise betont. Dennoch ist es offenkundig, dass im Lebenszusammenhang der Menschen alles sowohl Zweck wie auch Mittel sein kann. Alle Menschen haben Eltern. Diese können durchaus als das Mittel angesehen werden, dessen sich die Natur bedient, damit Kinder geboren werden.

Geben und Nehmen sollten im Gleichgewicht sein

Vielleicht sehen sich Eheleute sogar selbst als ein solches Mittel an. Etwa wenn sie glauben, auf gesellschaftliche Anerkennung oder auf Erben angewiesen zu sein. Zunächst und vor allem aber ist eine Liebesbeziehung selbst der Zweck, zu dem sich zwei Menschen verbinden. Oder: Wie will man erklären, dass einer etwas für den anderen tut, wenn nicht beide einen Vorteil davon haben? Gewiss: Der eine kann den anderen zwingen, etwas zu tun, ohne auf dessen Zustimmung zu warten.

Dann liegt jedoch eine Freiheitsberaubung vor, die als solche schon gegen die Würde des Menschen verstößt und allein deshalb unmoralisch ist. Wenn aber ein Einverständnis auf beiden Seiten vorliegt, dann achtet jeder darauf, dass er für das, was er mit seiner Handlung gibt, auch etwas bekommt. Das kann man gleichwohl als „selbstlos“ ansehen, weil die Tat nicht erfolgt, um sich selbst einen bestimmten Vorteil zu verschaffen. Man will vielmehr dem anderen helfen – doch fragwürdig wäre es, wenn man sich selbst dadurch einen dauerhaften Schaden zufügen würde. Quelle: „Humanität“ von Volker Gerhardt

Von Hans Klumbies