Ein freier Wille ist für Paracelsus ein Ding der Unmöglichkeit

Der Naturphilosoph Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der von 1493 bis 1541 lebte, führte schon im Jahr 1527 an der Basler medizinischen Fakultät Vorlesungen in der deutschen Sprache ein. Paracelsus lehrt in seinem “Buch Paragranum” vier Säulen der Medizin: Philosophie, Astronomie, Alchemie und „proprietas“, so etwas wie eine Ethik der Medizin. Laut Vittorio Hösle sind darin Zukunftsweisendes und nach modernen Kriterien Unwissenschaftliches miteinander verwoben: „Neben der Forderung nach einer Begründung der Medizin durch Chemie Mineralogie findet sich der Gedanke, dass der menschliche Mikrokosmos, also etwa einzelne Organe den Planeten entsprechen.“ Wichtig ist für Paracelsus die Suche nach einem Grund der Medizin und das Streben nach Gewissheit. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

Paracelsus steht dem politischen radikalen Flügel der Spiritualisten nahe

In seinen naturphilosophischen Reflexionen nimmt Paracelsus neben den klassischen vier Elementen zusätzlich drei Prinzipien an: Schwefel, Quecksilber und Salz, die er als Ausdruck der göttlichen Trinität deutet: „Gott manifestiert sich nach Paracelsus in den Kräften der Natur, so dass alle Wissenschaften Partikeln der Theologie sind. Ein freier Wille ist nicht möglich; auch der Bösewicht kann nur handeln, weil ihn Gott ermächtigt. Das Höchste ist die Selbstaufgabe des eigenen Willens in Gott.“

Besonders faszinierend sind für Vittorio Hösle Paracelsus` religiöse Vorstellungen. Er wurde zwar als Katholik beerdigt, aber seine Kritik an der Institution Kirche ist scharf, freilich an allen Konfessionen. Paracelsus glaubt an eine Kirche im Heiligen Geist, der keine Wohnung hat. Er lehnt jede gewaltsame Bekehrung als „vom Teufel“ ab, lehrt die Rettung aller, auch ungetaufter Kinder. In seinen politischen Ideen steht Paracelsus einerseits dem politischen radikalen Flügel der Spiritualisten nahe, dessen bedeutendster Repräsentant Thomas Müntzer ist.

Eigentum ohne Arbeit ist für Paracelsus nichts anderes als Diebstahl

Vittorio Hösle fügt hinzu: „Aber in „De magnificis et superbis“, („Von den Großartigen und Hochmütigen“), in dem er Paulus` Obrigkeitslehre auf dessen eigene Zeit zu begrenzen vorschlägt, warnt er andererseits ausdrücklich vor Rebellion, die zu wesentlich mehr Übeln als den bisher existierenden führen könne.“ Als christliches Ideal vertritt Paracelsus jedoch eine weitgehende Gleichheit der Stände und tätigen Einsatz für den armen Teil der Bevölkerung.

Der Adel stammt für Paracelsus nicht von Gott ab. Die Rechte am Boden sind stets nur vom Kaiser geliehen. Jeder hat die Pflicht zu arbeiten. Eigentum ohne Arbeit ist für Paracelsus Diebstahl. Ein Vater soll seinen Kindern nur die Arbeitsmittel vererben. Die Todesstrafe lehnt Paracelsus ab. Nur Verteidigungskriege sind seiner Meinung nach moralisch vertretbar. Sogar Johann Wolfgang von Goethe las seine Schriften und es ist durchaus plausibel, dass einige seiner Wesenszüge, in seine Figur des „Faust“ eingegangen sind.

Von Hans Klumbies