Viktor Orbán verbreitet Judenhass

Der Judenhass führt kein Schattendasein mehr, wieder einmal sucht er das Licht der Öffentlichkeit. Roger de Weck nennt ein Beispiel: „Aktueller Codename für das ewige Feindbild ist „Soros“, nämlich der jüdische Amerikaner und gebürtige Ungar, der Bürgerrechtler Georg Soros.“ Viktor Orbán stempelte ihn zum Bösewicht, und seither nutzen Reaktionäre seinen Namen als Chiffre einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“. Orbán hat die antisemitische Häme als uraltes, brandneues Mittel der Politik weidereingeführt. Er liegt damit auf einer Linie mit dem deutschen Rechtsextremisten und Verleger Götz Kubitschek. Dessen Antaios-Verlag erzielte einen Verkaufserfolg mit dem antisemitischen Buch „Finis Germania“. „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“, befindet die AfD-Politikerin Alice Weidel. Reaktionäre trauern der Zeit nach, in der die weiße Mehrheit das Vokabular bestimmte. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom

Die Sprache wird immer verächtlicher

Weniger die politische Korrektheit als eine hemmungslose Vulgarität setzt sich durch, immer verächtlicher wird die Sprache. Sie entwürdigt, was sie entfernen möchte aus Europa. Flüchtlinge sind „islamische Invasoren“, „Träger von Viren und Erregern“ – so die Zyniker Viktor Orbán und Jaroslaw Kaczynski. Sie reden wie der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Geflüchtete als „Viehzeug“ abtat und wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Indessen gilt das Narrativ, die Deutschen lebten unter einer „Moraldiktatur“ – alles und jeder werde unter moralischen Gesichtspunkten bewertet.

Die Bochumer Moralphilosophin Maria-Sibylla Lotter beanstandet „eine von Schuld- und Schamgefühlen getriebene Moralisierung der politischen Sphäre“. Der überaus konservative Philosoph Hermann Lübbe empfahl, Untaten „öffentlich zu bekennen“. Er begrüßte die großen „Eingeständnisse historischer Schuld“ wie Willy Brandts Kniefall vor dem Mahnmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto. Denn das erschwere das Verdrängen, mache die Menschen aufklärungsbereiter.

Bald zählt die Erde acht Milliarden Menschen

Zu Beginn des Jahrtausends schrieb Hermann Lübbe: Die Ära „scheint zu Ende zu gehen“, da Nationen sich weißwaschen, während sie andere Kulturen in schwärzesten Farben zeichnen Er irrte. Roger de Weck betont: „Die raumgreifende Entmoralisierung der politischen Sphäre ist relevanter als der rundum kritisierte Moraldiskurs. Ohnehin geht die abgedroschene Moralkritik am Wesentlichen vorbei. Aktuell nämlich steht dringend die Arbeit an einem Ethos der Überlebensperspektiven an.

Bald zählt die Erde acht Milliarden Bewohner. Das macht mehr Rücksicht auf Mitmenschen notwendig, mehr Umsicht im Verbrauch natürlicher Ressourcen. Roger de Weck blickt zurück: „Für Aufklärer des 18. Jahrhunderts war Fortschritt stets auch moralischer Fortschritt.“ Im 21. Jahrhundert muss der pragmatisch-moralische Gedanke der Weltwohlfahrt das hergebrachte Verständnis von Weltpolitik als unaufhörlichen Verteilungskampf ergänzen. Václav Havel definierte eine solche Politik „als praktizierte Verantwortung für die Welt, nicht als bloße Technologie der Macht“. Quelle: „Die Kraft der Demokratie“ von Roger de Weck

Von Hans Klumbies