Die Bewahrung der Natur hat für viele Menschen nicht die oberste Priorität

Wilhelm Schmid stellt fest: „Im frühen 21. Jahrhundert sind noch immer nicht alle Menschen von der Dringlichkeit einer Heimatpflege zur Bewahrung der Heimat in der Natur überzeugt. Die Auseinandersetzung hierüber gleicht einem Kulturkampf, der in jeder einzelnen Gesellschaft geführt werden muss, mit offenen Ausgang, der sich aber in jedem Fall planetar auswirkt.“ Manche vertreten sogar die Ansicht, dass die Menschen aus der Natur austreten sollten, indem sie die natürliche Evolution durch eine technische „Exo-Evolution“ ersetzen. Aber ein Außerhalb – exon im Griechischen – zur Evolution der Natur steht nicht in der Macht von Menschen. Absolut alles, was Menschen schaffen können, bleibt in die planetarische und kosmische Evolution der schaffenden Natur eingebettet, die darüber entscheidet, wie weit die menschengemachte Evolution gehen kann. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

Die Natur folgt einer erkennbaren Logik

Der Mensch selbst ist nur eine Mutation, die erst noch unter Beweis stellen muss, dass sie sich bewährt, indem sie etwas zur umfassenden Evolution beiträgt. Wilhelm Schmid erklärt: „Die Natur folgt einer erkennbaren Logik, auch wenn ihr kein bewusstes Handeln zugeschrieben werden kann. Sie kategorisiert ihre einzelnen Elemente als dienlich, nicht dienlich oder egal für die Weiterentwicklung.“ Lange fiel der Mensch unter die Kategorie „egal“, er war nur ein kleines Licht. Das hat sich mit dem Anthropozän geändert.

Erweist sich der Mensch jetzt nicht als dienlich, sondern stört und zerstört sämtliche Prozesse, wird er aussortiert, auf welche Weise auch immer. Wilhelm Schmid ergänzt: „Alle Arbeit, die der Mensch an sich selbst und der Natur vornimmt, auch seine intelligenteste Technologie, ist eine Mutation, der die Selektion noch bevorsteht.“ Kaum begonnen, könnte die Menschenneuzeit sich daher schon dem Ende zuneigen. Der Mensch könnte seine Heimat in der Natur so sehr belasten, dass das Leben für ihn selbst zu schwer wird.

Eingriffe in die Natur führen oft zu selbstverschuldeter Zerstörung

Die eigenen Lebensbedingungen zu untergraben, wird sicher nicht zukunftsträchtig sein. Der Planet ist bereits das Grab vieler Wesen, etwa der Mammuts, deren Unbeweglichkeit ihnen zum Verhängnis wurde. Wilhelm Schmid betont: „Um ein solches Zurück zur Natur weniger wahrscheinlich zu machen, müsste das Anthropozän die Epoche eines veränderten Denkens und Handelns sein.“ Eingriffe in Zusammenhänge der Natur am jeweiligen Ort, in Regionen, auf Kontinenten und in Ozeanen dürften nur noch in einem Maß geschehen, das nicht die selbstverschuldete Zerstörung von schönem Leben zur Folge hat.

Ein anderes Zurück zur Natur, ein besseres Anthropozän ist vorstellbar, wenn Menschen es schaffen, so zu leben, dass sie sich wieder als Teil der Natur verstehen und sich bereitwillig ihren Vorgaben fügen. Wilhelm Schmid fügt hinzu: „In diesem Falle bliebe der menschliche Output eine Episode, ein dünner Firnis in den Sedimenten des Planeten, eine schmale Schicht von Schadstoffen, die den Menschen künftiger Zeiten von einem Beinaheverhängnis am Beginn des 3. Jahrtausend berichten.“ Quelle: „Heimat finden“ von Wilhelm Schmid

Von Hans Klumbies