Viele Intellektuelle kehren 1949 nach Europa zurück

Theodor W. Adorno war im Jahr 1949 aus dem Exil in den USA ins alte Europa zurückgekehrt. Und mit ihm die allzu menschliche Aussicht auf einen erneuten Anfang: existenziell, institutionell, philosophisch. Freilich, die eigentlich entscheidenden Fragen standen aus. Wolfram Eilenberger stellt fest: „Noch hatte Adorno keinen Fuß auf deutschen Nachkriegsboden gesetzt. Wobei mehr als fraglich war, was das im Jahr 1949 noch bedeuten sollte: Deutschland.“ Theodor W. Adorno ist Teil einer ganzen Welle von Intellektuellen, die 1949 aus dem Exil erstmals wieder ins Land des Hitlerismus zurückkehrten. Unter ihnen Hannah Arendt, Ernst Bloch, Ludwig Marcuse sowie, als strahlkräftigste Verkörperung der Kulturnation: Thomas Mann. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, moderiert die „Sternstunde Philosophie“ im Schweizer Fernsehen und ist Mitglied der Programmleitung der phil.COLOGNE.

Thomas Mann reist 1949 nach Frankfurt und Weimar

Zur Entgegennahme des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt reist der Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1929 im Juli 1949 aus Los Angeles in die gerade einmal zwei Monate alte Bundesrepublik Deutschland. Wolfram Eilenberger ergänzt: „Nur sechs Tage nach der Verleihung in der Frankfurter Paulskirche wird Thomas Mann einen weiteren Goethe-Preis feierlich annehmen. Diesen im Nationaltheater zu Weimar, auf dem Gebiet eines bald zweiten deutschen Staates.“

Er wird am 7. Oktober 1949 unter der Bezeichnung Deutsche Demokratische Republik offiziell ausgerufen. Und nicht nur in Europa gewinnen 1949 die Strukturen und Konfliktlinien kommender Jahrzehnte an Kontur. Wolfram Eilenberger weiß: „In China nehmen die Truppen Mao Zedongs Peking ein und erlangen darauf binnen weniger Wochen die Kontrolle über das gesamte Land.“ Im Nahen Osten kann der junge Staat Israel sich gegen seine arabische Nachbarn im sogenannten Unabhängigkeitskrieg erfolgreich behaupten, sogar Gebietszuwächse erreichen.

Die beiden Deutschlande bilden die Bruchstelle der neuen Weltenteilung

Im Resultat führen sie zu einer Flucht und auch Vertreibung hunderttausender Palästinenser in den Libanon und auch nach Syrien. Indien erklärt nach langem Kampf seine Unabhängigkeit; ein Schritt, den das einst zugehörige Pakistan in der Form einer islamischen Republik bereits zwei Jahre zuvor vollzogen hatte. Wolfram Eilenberger fügt hinzu: „Die beiden Deutschlande bilden die Bruchstelle der neuen Weltenteilung. Was sie militärisch einerseits besonders exponierte, bei günstigem Gang aber auch in spezieller Weise zu schützen vermochte.“

Noch immer in Trümmern, gewinnt der Wiederaufbau in den großen Städten Deutschlands sichtbar an Zug. Wolfram Eilenberger erläutert: „Auch die millionenstarken Flüchtlingsbewegungen – seit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht hatten sich mehr als zehn Millionen Menschen von den ehemaligen Ostgebieten Pommern und Schlesien auf den Weg gen Westen begeben – kommen an ihr Ende.“ Theodor W. Adorno trifft am 3. November 1949 in tiefer Nacht am Frankfurter Hauptbahnhof ein. Quelle: „Geister der Gegenwart“ von Wolfram Eilenberger

Von Hans Klumbies